Wir fressen keine Katzen!

Gruselige Kriegsbemalung als Maske des Menschenhasses. Den Black-/Death-Metal-Musikern „Misanthropic Might“ ist es todernst. Sie erklären, weshalb

Verena Randolf
03.03.2023

Seit ihrer Gründung im Jahr 2000 sind Misanthropic Might eine Macht im Wiener Metal-Underground (Foto: Tom Zonyga)

Früher kümmerten sich Misanthropic Might vor ihren Auftritten um die Maske. In meist engen Backstage-Garderoben drängten sich die vier Musiker mit Kajalstiften in den Händen vor dem Spiegel, malten sich Streifen ins Gesicht und wedelten nach der Show mit Abschminktüchern. Entwürdigend. So hat sich Christoph, der Drummer der Band, etwas einfallen lassen. Das Maskenproblem wurde gelöst. Aber wie?

Misanthropic Might wurden 2000 von Christoph (Drums) und Markus (Bass & Lead Gesang) gegründet, Fredl (Gitarre & Gesang) und Otto (Gitarre) komplettierten die Band ein paar Jahre später. Die aus Wien und Niederösterreich stammenden Musiker sind Anfang der 1990er-Jahre über Punk und Hardcore bei Death und Black Metal gelandet. Christoph ist im Brotberuf Fahrlehrer, Fredl arbeitet als Geschäftsführer eines Sanitärfachhandels. Ihre Musik betreiben die vier als Hobby, ihre Band ist eine feste Größe in der heimischen Metal-Szene. 

Dieser Artikel ist in der Print-Ausgabe von FALTERs BEST OF VIENNA 2/22 zum Thema „Maskerade“ erschienen, erhältlich auf www.faltershop.at (Foto: Julia Fuchs)

Ein strahlend sonniger Sonntagnachmittag in einem Lokal am Wiener Gürtel. Christoph und Fredl tragen Schwarz, trinken Bier und zupfen Chili vom überbackenen Brot. Zu scharf. Zwei leiwande Typen, die sich dem Menschenhass verschrieben haben. 100er-Nägel spielen in ihrer Geschichte eine Rolle und die gut inszenierte Maskerade sowieso. Wir sprechen Black/ Death Metal.

Man konnte euch aus der Ferne lachen sehen!

Fredl: Verrat uns bloß nicht!

Christoph: Manchmal lachen Black / Death Metaler. Heimlich.

Tragt ihr bei euren Konzerten Maske, damit niemand sieht, wie fröhlich ihr beim Spielen seid?

Christoph: Manchmal kommt uns tatsächlich ein Lacher aus. Aber Black und Black/Death Metal sind die brutalste Art der Rebellion. Sie ist von der Attitude her so ernst, dass es da nichts zu lachen gibt. Wenn du auf der Bühne stehst, ist das ein erhabener Moment, kein lustiger.

Gitarrist und Grunzer Fredl in Action (Foto: Tom Zonyga)

Woher kommt die Tradition der Maske in diesen Musikrichtungen?

Christoph: Es geht ums Entmenschlichen. Du hast automatisch eine bedrohlichere Ausstrahlung. Ursprünglich kommt die Idee von der Kriegsbemalung heidnischer Völker. Im Black Metal kommt die Idee des Corpse Paint dazu, also die der Leichenbemalung. Die Musik wirkt einfach böser, wenn du eine Maske trägst. Sie unterstreicht die Botschaft. Das Konzept unserer Musik ist tiefer Menschenhass. Die Maske unterstützt die Dramaturgie, wie bei einem Clown, der ja auch deswegen eine Maske trägt.

Fredl: Zum einen tragen wir die Maske für die Show, für den Effekt im Publikum. Auf der anderen Seite aber auch für uns selbst. Du schlüpfst leichter in die Rolle, das Feeling auf der Bühne ist anders.

Wie habt ihr die richtige Maske für euch gefunden? Sitzt man da vor dem Spiegel, malt sich an und probiert einfach aus?

Fredl: Es sucht jeder sein Ding. Mein erstes Totenkopfdesign war aus einem Film. Das probiert man dann zuhause.

Christoph: Die Schminkerei war aber echt mühsam. Wer hat die Farbe mit? Wo sind die Abschminktücher? Das alles in den engen Backstage-Räumen und unter Zeitdruck – nicht leiwand.

Liabe, leiwande Leut’: Die Misanthropen (v. l.) Markus, Otto, Fredl und Christoph abseits der Bühne (Foto: Privat)

Auch ein bisschen grindig: Es ist heiß, du schwitzt, der ganze Batz klebt und rinnt dir irgendwann wieder aus dem Gesicht …

Christoph: Da ist die Schminke allein ja noch harmlos. Ich habe einmal in einer Band gespielt, geschminkt, und dann haben wir uns auch noch Schweineblut über den Kopf gegossen. Am Anfang geht’s noch, aber nach zwei Stunden fängt das in den Haaren richtig zum Miachteln an. Da müsstest du nachher fast duschen (lacht).

Ihr leidet also schon auch ein bisschen, wenn ihr auf der Bühne steht?

Christoph: Das ist definitiv übertrieben. Auf der Bühne zu stehen ist das Beste überhaupt. Ich persönlich sehe das ganze Leben als Kampf, den ich gewinnen oder verlieren kann. Das münze ich auf die Musik. Außerdem halte ich Menschen für von Grund auf böse. Die Musik ist ein gutes Ventil, um diesen Menschenhass zu kanalisieren.

Wie habt ihr das Masken-Schmink-Dilemma für euch gelöst?

Fredl: Mittlerweile tragen wir selbst angefertigte Masken – nach einer Idee von Christoph. Der hat irgendwann angefangen, Sturmmasken, die man unter den Motorradhelm zieht, mit Acrylfarbe zu bemalen. Er hat mit einem 100er-Nagel darauf gezeichnet, und das sieht gut aus. Jetzt müssen wir nur noch die Augenpartien mit schwarzer Schuhpaste bemalen. Maximaler Effekt, wenig Aufwand.

Christoph: Die Masken kann man sogar waschen. Aber besser im Waschbecken als in der Waschmaschine.

Misanthropic Might: der musikalische Mittelfinger im Gesicht der Gesellschaft (Foto: Tom Zonyga)

Im Metal trägt ja auch das Publikum eine Art Uniform: Schwarze Klamotten, lange Haare und die
Shirts einschlägiger Bands. Wieso ist das wichtig?

Fredl: So streng ist das heute nicht mehr. Man darf auch mit kurzen Haaren zu Metal-Konzerten kommen. Aber grundsätzlich stimmt das: Es gibt bestimmte Erkennungsmerkmale, die dich als Teil dieser Szene ausmachen. Unser Publikum ist eine homogene Menge an Leuten, die alle so ziemlich auf einer Wellenlänge sind.

Christoph: Unsere Musik ist halt auch sehr speziell. Wenn man in einer normalen Disco eine unserer Nummern spielt, glauben die Leute, die Box sei kaputt. Das ist genau der erwünschte Effekt: Menschen, die nicht aus der Szene sind, werden abgeschreckt. Für viele klingt die Musik wie Lärm. Man muss erst ein Gehör dafür entwickeln, weil sie sehr schnell und brutal ist, und dann versuchen, den roten Faden zu finden.

Fredl: Da in unserem Publikum aber fast nur Leute stehen, die diese Art von Musik schätzen, gibt es bei uns viel weniger Rangeleien als bei anderen Konzerten, wo alle möglichen Menschen, die nichts miteinander zu tun haben, zusammengewürfelt werden.

In eurer Musik geht es um Mord, Vergewaltigung und Totschlag. Eure Outfits erinnern an Leichenbemalung. Aber ihr seid an sich umgängliche Typen. Ist dieses harte, böse Auftreten eure Maske?

Fredl: Es ist halt ein Spiegel der Gesellschaft! Wir sind natürlich keine kinderfressenden Mörder und stehen alle beruflich sowie sozial mitten im Leben. Die Musik und das Auftreten sollen abschrecken, aber wir sind eigentlich liabe, leiwande Leut‘. Die Menschen sind halt im Umgang miteinander unehrlich. Im Schlager singen sie ständig „Schenk mir dein Herz!“ Eine Farce und völlig verlogen!

Christoph: Natürlich ist es auch eine Maske! Aber es ist ebenso das Ausleben extremer Gefühle, ein Ausdruck von Rebellion, der verdammte Mittelfinger im Gesicht der Gesellschaft. Trotzdem ist der Großteil der Leute in der Szene umgänglich und recht intelligent … Viele Katzenbesitzer, mich eingeschlossen (lacht).

Fredl: Ich habe ein verkehrtes Pentagramm eintätowiert. Das heißt aber nicht, dass ich Tiere schlachte. Auch ich habe zwei Katzen.


Kellerlacher

Sieht man die Wiener Schwarzmetaller von Misanthropic Might, Otto, Christoph, Markus und Fredl, auf der Bühne, möchte man meinen, sie würden zum Lachen in den Keller gehen. Dabei ist ihr finsteres Auftreten künstlerisch inszenierte Gesellschaftskritik. Abseits der Bühne stehen die vier beruflich wie sozial mitten im Leben

Die zuletzt erschienenen Alben: „Menschenhasser“ (2014) und „Feindt“ (2018). Infos zu Auftritten: www.facebook.com/misanthropicmight und slavetrader@gmx.at

Misanthropic Mights Tipps für Heavy Vienna finden Sie hier.

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