Ein Leben als Hund

Der 22-Jährige Angelo aka Hasuki Omega Yoshi trägt am liebsten Hundemaske und spielt Welpe. Warum? Eine Aufklärungsrunde im Park mit Mr. Puppy Austria 2020

Birgit Wittstock
24.03.2023

Die Hundemontur öffnete Angelo die Tür zu einem sexuellen Wonderland, einem Spielplatz für Dominanz und Unterwerfung (Foto: Birgit Wittstock)

„Müssen wir in die Hundezone?“ Angelo und Max blicken einander kurz an: Fangfrage? Nein, Hundezone müsse nicht sein, sagt Angelo mit der geduldigen Nachsicht, mit der man sonst nervige No-na-Fragen kleiner Kinder beantwortet. So was bringt ihn längst nicht mehr aus seinem Zen. Wer in Wien mit Hundemaske, Halsband, Leine und anderen Accessoires als menschlicher Canis auftritt, braucht ein dickes Fell.

Angelo, 22, hat den Stadtpark als Treffpunkt nicht wegen seiner gediegenen Hundeauslaufzone gewählt. Er peilt dort eines der meistfotografierten Denkmäler der Stadt an: die goldene Johann-Strauß-Statue. Der Walzerkönig habe nämlich etwas mit ihm gemeinsam. Unter den neugierigen Blicken einiger Touris zieht sich Angelo eine eigens für ihn angefertigte 800-Euro-Ledermaske über sein Bubengesicht. Jetzt steht „Hasuki Omega Yoshi“ neben dem Strauß Schani. Sein schelmisches Grinsen ist hinter steifen Lederlefzen verschwunden. Aus der Hundefassade blitzen Angelos blau-graue Augen.

Dieser Artikel ist in der Print-Ausgabe von FALTERs BEST OF VIENNA 2/22 zum Thema „Maskerade“ erschienen, erhältlich auf www.faltershop.at (Foto: Julia Fuchs)

„Der Strauß war ja auch ein Fetischist“, sagt der Welpe und legt seinem Begleiter Max ein breites Lederhalsband an, auf dessen Hundemarke „Flip“ eingraviert ist. „Strauß stand auf Füße“, erklärt er und assistiert Max beim Überziehen der Maske. „Die sind der Klassiker unter den Fetischen.“ 

Wird die Welpen-Maskerade von Yoshi und Flip eines Tages so Old School sein wie heute der Fußfetischismus von Johann Strauß? Gegenwärtig gilt Pup-Play jedenfalls als angesagte Spielart in der schwulen Fetischszene. Und nicht nur dort.
Die österreichische Pet-Play-Community hat sich in den vergangenen drei Jahren auf rund hundert Mitglieder verdreifacht und ist extrem divers: Bei ihren Stammtischen treffen einander Hundewelpen, Füchse, Katzen, Pferde, Ochsen und Pinguine – maskierte Männer, Frauen, Diverse aller Schattierungen des LGBTQ+-Spektrums und Cis-Heteros. „Egal ob du alt oder jung, dick oder dünn, aufgepumpt bist oder im Rollstuhl sitzt, beim Pup-Play akzeptiert man dich, wie du bist“, sagt Yoshi. „Weil die Maske dein Gesicht verdeckt, schauen dir alle direkt in die Augen und in dein Inneres.“ 

Ironischerweise boomt das Spiel mit der strengen Tiermaskerade auch auf den Selbstdarstellungsplattformen der sozialen Medien. Teenies gehen auf Instagram und TikTok immer öfter in Puppy-Kostümen viral. Die Hundemasken sind längst massentauglich. Selbst Walmart, die größte Supermarktkette der USA, führt sie im Sortiment. „Viele checken nicht, dass es sich bei den Neopren- und Ledermasken um Fetischausstattung aus dem BDSM-Bereich handelt“, erklärt Yoshi. „Wenn Teenies meine Erklärvideos auf Insta sehen, bleiben oft nur Schlagworte wie ,verkleiden‘ und ,verspielt‘ hängen. Sie finden die Kostüme cool, verstehen aber den Hintergrund nicht. Wir wollen ja keine Cosplay-Trendsetter sein. Pup-Play ist ein Kink für über 18-Jährige.“

Was dem Normalo der Ring, ist dem Puppy die Hundemarke: Zeichen der Zugehörigkeit und Wertschätzung (Foto: Birgit Wittstock)

Im November 2019 hat Yoshi die Wahl zum Alphawelpen des Landes gewonnen; damals noch unter dem Namen „Husky Pup Yoshi“. Seither trägt er den Titel „Mr. Puppy Austria 2020“ und versteht sich als eine Art Außenminister der Puppy-Community. Sein Job? Die Message der Puppies zu verkünden und das Rudel nach außen zu repräsentieren. 

Doch wie ist Yoshi eigentlich zur Maske von Angelo geworden? Begonnen habe alles mit „Natascha Gorbatschow Blanca“, erzählt Angelo, Yoshis zusammengefaltetes Welpengesicht neben ihm auf der Parkbank liegend. Schon als 16-Jähriger habe er begonnen sich zu schminken. Irgendwann ist daraus die Drag-Kunstfigur „Natascha“ entstanden. „Ich nannte sie die ‚Praterhure von nebenan‘.“ Wenn Angelo aus seinem Leben erzählt, wird schnell klar: Für den schwulen Jungen, der als Kind mit der Mutter aus Kärnten nach Wien zog, war es immer eng. „Konservative Normfamilie“ nennt er es. 

Tagsüber lernte Angelo Koch, erst in einem vornehmen Ringstraßenhotel, danach arbeitete er im wohl schwulsten Traditionskaffeehaus der Stadt, dem Café Savoy; abends fand er in der Drag- und Fetischszene Freiheit und einen Safe Space. „Wie viele andere glaubt meine Mutter, Fetisch sei etwas Schmutziges und Gewalttätiges.“ Yoshi aber eröffnete Angelo ein sexuelles Wonderland aus Dominanz und Unterwerfung und einen freien Headspace: „Wenn ich gestresst oder depressiv bin, hilft mir Yoshi. Sobald ich die Maske aufhabe, vergesse ich mich selbst, bin nicht Angelo, sondern meine zweite Persönlichkeit.“ Denn Hasuki Omega Yoshi, der sibirische Husky, ist im Gegensatz zum schüchternen Angelo ein hyperaktiver Draufgänger. Mittlerweile auch nicht mehr nur wilder Welpe, sondern „Handler“, also ein Puppy-Halter: Max aka Flip hatte ihn darum gebeten. Devot in seiner Rolle und mit Kinderpiepsstimme. Die strenge Gegenfrage von Yoshi: „Bist du sicher, dass du jemanden gehören willst?“ Hasuki Omega Yoshi nämlich schätzt seine Freiheit als wichtigstes Gut. Sie, das Spielen, Ohrenkraulen und Leckerlis.


Hundefreund

(Foto: Birgit Wittstock)

Österreich ist das Land der Titel. Doch nur einer ist „Mr. Puppy Austria 2020“: Angelo, 22, gebürtiger Kärntner und von Brotberuf Koch. Setzt er seine Hundemaske auf, verwandelt sich der eher zurückhaltende Angelo in den sassy Hasuki Omega Yoshi formerly known as Husky Pup Yoshi. Der ist außerdem auch Halter seines Hundefreunds Flip (links)

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