„Ich genieße die Einsamkeit“

Für ihre Rolle in „Die beste aller Welten“ gewann Verena Altenberger heuer den Diagonale-Schauspielpreis. Privat genießt die 29-Jährige die Ruhe

STEPHAN WABL
INTERVIEW / PORTRAIT, COMPLETE MAGAZIN 3/17

Foto: Raffael Stiborek

— Der Herbst ist da. Freuen Sie sich?

Ich bin eigentlich ein Sommermensch. Aber ich mag das Melancholische am Herbst. Man verabschiedet sich von der Sonne, bereitet sich auf den Winter vor – das hat etwas Beruhigendes. Am liebsten wandere ich in dieser Zeit durch die Weinberge und trinke beim Heurigen einen Sturm.

— In „Die beste aller Welten“ spielen Sie allerdings einen sehr unruhigen Menschen. Helga, Ihre Figur, ist heroinsüchtig. Gleichzeitig versucht sie ihren Sohn so gut wie möglich zu erziehen. Wie haben Sie sich dieser Rolle genähert?

Ich musste erst einmal verstehen, wie Sucht entsteht. Was muss im Leben eines Menschen passieren, dass er Heroin nimmt, obwohl er weiß, dass es abhängig macht. Dann habe ich mich gefragt, wie es möglich ist, als Heroinabhängige einen normalen Alltag mit Kind zu meistern. Wie schafft Helga es, trotz Drogensucht, ihren Sohn pünktlich um sieben Uhr aufzuwecken, ihm ein Pausenbrot zu schmieren und in die Schule zu schicken? Das hat in meinem Kopf überhaupt nicht zusammengepasst.

— Hatten Sie beim Spielen das Gefühl, dass Sie Helgas Geschichte gerecht geworden sind?

Diese Einordnung würde ich mir nie anmaßen. Am Ende bin ich immer nur Beobachterin, die spielt, was sie gesehen und erzählt bekommen hat. Das kann nie so sein wie das Gelebte. Aber eines der größten Komplimente für mich war, wenn unser Regisseur Adrian Goiginger nach improvisierten Szenen sagte: „Verena, genauso hätte meine Mutter das auch gemacht“, denn der Film basiert auf der wahren Geschichte seiner Mutter. Auch andere Familienangehörige meinten, die echte Helga auf der Leinwand wiedererkannt zu haben. Das freut mich natürlich sehr!

— Helga wird von ihren Widersprüchen in unterschiedliche Richtungen gezerrt. Kennen Sie das auch von sich selbst?

Das kenne ich durchaus. Als Schauspielerin muss ich mich öffnen und verletzlich sein. Denn sonst haben meine Rollen keine Kraft. Gleichzeitig habe ich aber das Bedürfnis – gerade weil ich viel herzeige – zuzumachen, um mich zu beschützen. Da kämpfen zwei Seiten in mir. Privat bin ich auch eher schüchtern. Wenn ich zum Beispiel auf einer Party wenig Menschen kenne, kann ich richtig nervös werden.

— Das klingt, als ob Sie abseits der Schauspielerei gerne Zeit alleine verbringen.

Ich bin gerne alleine und kann auch gut alleine sein. Ich bin sicherlich ein Mensch, der Einsamkeit genießen
kann.

— Sie waren heuer auch im Thriller „Die Hölle“ von Oscar-Preisträger Stefan Ruzowitzky zu sehen. Wie war diese Zusammenarbeit?

Da ist tatsächlich ein Traum für mich in Erfüllung gegangen. Ich war sehr aufgeregt, weil Stefan Ruzowitzky ein großer Name ist. Als junge Schauspielerin möchte man seine Sache natürlich gut machen. Ich bin bei Dreharbeiten ansonsten selten nervös. Aber nach zwei Minuten war das weg, weil ich gesehen habe, dass Ruzowitzky total ruhig und einfach ein sehr guter Regisseur ist, der weiß, was er will. Die Zusammenarbeit war einfach schön.

— In der deutschen TV-Comedy-Serie „Magda macht das schon“ spielen Sie wiederum eine polnische Altenpflegerin, die für reichlich Unterhaltung sorgt.

Das ist das Schöne an meinem Beruf: die Möglichkeit zu haben, sehr unterschiedliche Rollen zu spielen. Comedy ist für mich ein bisschen wie Tanzen.
Es gibt eine Choreographie, die man genau einhalten muss, innerhalb derer man aber sehr frei spielen kann.
Diese Freiheit im genauen Timing zu entdecken, macht mir irrsinnig Spaß.

— Sie waren in Ihrer Jugend auch begeisterte Kunstturnerin. Ist davon noch etwas übrig?

Mit 29 Jahren gehört man in diesem Sport schon zu den Oldies. Aber ein Wunsch von mir ist es tatsächlich, einmal eine Rolle zu spielen, in der ich das Kunstturnen einbringen kann. Eine Art Lara Croft: von der Decke abseilen und dann raus aus dem Raum mit einem Flic Flac.

— Sie haben im Sommer in Berlin gedreht, wohnen in Wien und kommen aus Salzburg. Was schätzen Sie an diesen drei Städten?

Salzburg ist mein Ruhepol, wo ich Boden unter den Füßen bekomme, zuhause bin und mich entspannen kann. Wien ist perfekt zum Wohnen. Es ist eine Großstadt, aber überschaubar, immer etwas los, aber auch nicht zu viel. Außerdem hat die Stadt etwas Morbides, das finde ich faszinierend. Berlin hat eine ganz andere Energie als Wien und Salzburg. Diese Freiheit – leben und leben lassen – gefällt mir besonders. So verrückt kann man gar nicht sein, dass man in Berlin auffällt.


Verena Altenberger

Bekannt aus:
Kino: Die beste aller Welten, Die Hölle Fernsehen: Magda macht das schon, Altes Geld; Theater: Haben (Volkstheater), Alice im Wunderland (Burgtheater), Die Furien (Theater Brett)

Für ihre Rolle in „Die beste aller Welten“ (aktuell in den Kinos) erhielt sie 2017 den Diagonale-Schauspielpreis und den Preis für die beste Darstellerin beim Filmfestival Moskau.
Im Sommer drehte sie außerdem die zweite Staffel von „Magda macht das schon“. Für ihre Rolle als Magda wurde sie jüngst in der Kategorie „Beste Schauspielerin“ für den Deutschen Comedypreis nominiert.


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