Smart Singapur
Der flächenmäßig kleinste Staat Südostasiens trumpft mit Superlativen auf – und zeigt, wie ein Staat durch digitale Innovationen zur „Smart Nation“ wird…
Foto: Daniel Gonzalez / Westend61/ picturedesk.com
„Hässlich und unbequem“, urteilte Erzherzog Ludwig von Österreich, als er nach Menorca kam. Er meinte allerdings nicht die Insel, sondern das Schuhwerk der Insulaner: Avarcas. Bereits zu Zeiten der Römer und Phönizier wurden jene Schuhe getragen, die ihm so gar nicht gefielen: Stoff oder Leder für die Sohle und den vorderen Teil des Fußes, vor den Zehen ein Luftloch, hinten eine Schlaufe.
Avarca de Menorca
Erzherzog Ludwig von Österreich hasste Avarcas, liebte aber die Insel und ihre Nachbarn. Statt in Wien zu residieren, forschte er im 19. Jahrhundert über die spanische Inselgruppe und verfasste das neunbändige Werk „Die Balearen in Wort und Bild“. Darin findet sich ein Kupferstich, der besagten Schuh zeigt, dessen Konstruktion durchaus ihren Sinn hatte. Das Loch an den Zehen war damals schon vorhanden – zur Entlüftung an heißen Tagen. Im Winter sollen die Bauern es indes mit Stroh ausgestopft haben. Als später immer mehr Autos über Menorca bretterten, veränderten sich die Avarcas: Man benutzte alte Autoreifen als Sohle. Das bot besseren Schutz vor Feuchtigkeit und unebenem Boden. Heute gibt es kein Schuhgeschäft auf Menorca, in dem die Insel-Sandalen nicht in den Regalen liegen. In allen Farben, einzig die Form ist stets dieselbe. Nach den improvisierten Modellen der menorquinischen Bauern begannen in den 60er-Jahren Schuster der Insel, Avarcas zu produzieren, in den 70er-Jahren eröffneten die ersten Werkstätten. Seit 2010 ist die Schreibweise „Avarca de Menorca“ ein geschützter Herkunftsbegriff – und die Inselschlappen sind angeblich die beliebtesten Sommerschuhe der spanischen Königsfamilie. Das Schuh-Shopping findet allerdings nicht in den Inselhauptstädten – Mahón im Osten und Ciutadella im Westen –, sondern im Dörfchen Ferreries im Landesinneren statt. Hier haben sich die Outlets der Schuhdesigner angesiedelt. Denn auf Menorca wurden nicht nur die Avarcas erfunden, sondern auch die gehypten „Pretty Ballerinas“, die von Stars wie Olivia Palermo, Kate Moss, Claudia Schiffer und Letizia, der spanischen Königin, getragen werden. Designer Jaime Mascaró stammt von der Insel. Heute arbeiten rund 500 Menschen in seinem Unternehmen, das im Jahr eine halbe Million Schuhe verkauft.
Natur als Hauptdarstellerin
Avarca gibt es auch auf den Schwesterinseln Mallorca und Ibiza zu kaufen, das Original stammt aber von Menorca, jener Baleareninsel, die so oft im Schatten ihrer Schwestern steht: Der wilde Ballermann auf Mallorca, die Party- und Hippieszene auf Ibiza. Menorca bleibt indes bescheiden. Und rühmt sich nicht mit Superlativen. Das hat die Insel auch nicht nötig, weder damals noch heute. Statt Trends hinterherzurennen, beobachten die Menorquiner lieber, was hüben und drüben falsch läuft – und machen es besser. Als auf Mallorca immer mehr Küstenabschnitte mit riesigen Hotelhochburgen verschandelt wurden, entschied man auf Menorca, es anders zu machen. Auf der ganzen Insel gibt es deshalb keinen zugebauten Strand, weil der Naturschutz immer an erster Stelle steht. Im Jahre 1993 wurde die Insel zu einem UNESCO-Biosphärenreservat erklärt, noch heute steht fast die Hälfte der Insel unter Landschafts- und Naturschutz. Das ist der Grund, warum Menorca vom Massentourismus weitgehend verschont ist und ein Urlaub mitten in einem Naturschutzpark möglich ist. Ein Grund für die Auszeichnung der UNESCO liegt in Es Grau. Der Küstenbereich neben der gleichnamigen Ortschaft und dem Naturschutzpark a’Albufera des Grau ist eine langgestreckte Lagune von zwei Kilometern Länge – und die bedeutendste Feuchtzone Menorcas. Wer hier Urlaub macht, erlebt eine Naturidylle mit raschelndem Dünengras, einem 600 Meter langen Strand und einer flach abfallenden Bucht, die besonders für Familien mit kleinen Kindern ideal ist.
Einsame Strände, versteckte Buchten
Menorca zeigt die beschauliche und besonnene Seite der Balearen. Es sind Gelassenheit und Gemütlichkeit, die man auf Menorca überall spürt. Rund 100 Strände und Buchten entlang der 285 Kilometer langen Küstenlinie erlauben den Sprung ins kalte Nass, oft ohne eine Menschenseele am langen Strand. Denn weil auf Menorca die Küste geschützt wird, liegen viele Buchten versteckt. Die schönsten wollen erobert werden – über holprige Wege und manch steilen Abstieg. An der Nordküste durchschreitet man erst einen Pinienwald und dann einen schmalen Weg, der mal steil bergauf, mal sanft bergab in Richtung Mittelmeer führt. Nach einer halben Stunde taucht eine schroffe Abbruchkante auf, von der aus es über Stock und Stein und eine lange Holztreppe hinuntergeht – zu einer malerischen Bucht, in der türkisfarbenes Wasser in leichten Wellen an den weißen Strand schwappt. Der Strand Cala Pilar an der Nordküste von Menorca ist einer der am schwierigsten zugänglichen Strände der Insel, aber einer der schönsten. Die Magie Menorcas offenbart sich vor allem am frühen Morgen. Da kann es passieren, dass man das kleine Paradies für sich allein hat. Lässt man sich dann im kristallklaren Wasser treiben, spürt man den Zauber, den die Insel ausmacht – weitab von Massentourismus und Hotelhochburgen.
50 Shades of Türkis
Es gibt sie aber natürlich auch, jene Urlaubsorte auf Menorca, an denen sich Hotels aneinanderreihen. Im Süden locken Cala’n Bosch und Cala Galdana viele Touristen an, da die Küste hier besonders farbenprächtig ist. Genau zwischen beiden Orten liegt die Cala Turqueta, deren Name hält, was er verspricht: Die traumhaft schöne Bucht mit einem 100 Meter langen Strand bezaubert mit kristallklarem Wasser, das in allen denkbaren Türkistönen leuchtet. Dass das Mittelmeer mal smaragdfarben, mal azurblau schimmert, liegt an der Posidonia oceanica, dem Neptungras. Die Algenart kommt um die Balearischen Inseln vor, ist Lebensraum für viele Fische und Meerestiere und spielt eine wichtige Rolle für das Klima und die natürliche Erhaltung der Strände – und eben für das kristallklare Wasser, das auf Menorca in allen Türkisnuancen leuchtet.
Camís de Cavalls
Die Wege zwischen den Buchten und Stränden werden gesäumt von urigen Dörfern wie Alaior, Es Mercadal und Es Migjorn Gran, der Zauber der Insel zeigt sich aber unterwegs. Entlang der Küste führt der Camís de Cavalls, der Pferdeweg. Bereits im frühen 14. Jahrhundert legten die Menorquiner die Route an, um Feinde rechtzeitig zu entdecken. Im Laufe der Jahrhunderte blieben viele Teile des Weges erhalten, 2009 wurde der Weitwanderweg erneuert. Heute schlängelt sich der Camís de Cavalls auf 185 Kilometern entlang der Küste und durchläuft Schluchten, steinige Abschnitte, Täler, Feucht- und Anbaugebiete und verbindet alte Wachtürme, Leuchttürme und Schützengräben miteinander. Vor allem aber führt der Weg vorbei an unzähligen Buchten der Insel. Wer nicht nur zu Fuß losziehen will, kann auch laufen oder radeln, denn der Camís de Cavalls ist für drei verschiedene Modi gedacht: zum Wandern, Trailrunning oder Mountainbiking. Eine der schönsten Strecken verläuft im Süden zwischen Cala Galdana und Santo Tomas, hier geht es in rund vier Stunden von einer Traumbucht zur nächsten. Ohne Massen, aber mit der Magie Menorcas.
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