Stanislaw surft nicht Neuerscheinungen. Das digitale Zeitalter macht das klassische analoge Medium nicht obsolet. Gerade die technologischen Umbrüche generieren jede Menge Bücher zum Thema Zukunft.

Oliver Hochadel
vom 14.06.2000

Fragen an das 21. Jahrhundert" stellt Ö1-Wissenschaftsredakteur Martin Bernhofer, mehr als vierzig deutschsprachige Autoren antworten mit kurzen Essays. Es sind dies überwiegend Wissenschaftler wie der Demograph Rainer Münz oder der Molekularbiologe Jens Reich, die aus der Perspektive ihrer jeweiligen Disziplin den Vorhang vor der Zukunft zu lüpfen suchen. Aber auch Hermann Beil, Claus Peymanns Dramaturg, darf über das kommende Theater räsonnieren. Der Ton ist insgesamt eher ein belehrend akademischer.

Bert Beyers lässt weniger die distanzierten Zukunftsanalytiker als die "Die Zukunftsmacher", sei es bei Greenpeace oder MercedesChrysler, zu Wort kommen. Geboten werden nicht nur Überlegungen zum Brennstoffzellenauto, zur Telearbeit und der Zukunft der Megacities, sondern auch über dreißig zum Teil recht gelungene Porträts: von Managern, die die Dienstleistungsgesellschaft wie ein Evangelium predigen, oder dem alternden Stanislaw Lem, der aus Angst vor Viren die Finger vom Netz lässt. Beide Titel sind "Nebenprodukte" von Hörfunkreihen, wobei die Vielfältigkeit der Beiträge mitunter etwas beliebig wirkt. Eine geschlossene Synthese wollen sie bewusst nicht leisten.

Das tut - eher unbewusst - Hans-Jürgen Warnecke. Sein "Projekt Zukunft" fällt aber denkbar eindimensional, weil einseitig technologisch orientiert, aus. Die Autoren sind Wissenschaftler der deutschen Fraunhofer-Gesellschaft, die mit zahlreichen Instituten in der angewandten Forschung tätig ist. Die Wissenschaft scheint nur neue, leistungsstarke Präzisionsprodukten wie einem fasergekoppelten Hochleistungsdiodenlaser oder druckfähigen ferroelektrischen Dünnschichtwalzen hervorzubringen. Man kann sich des Eindrucks der "Industriefreundlichkeit" nicht erwehren.

Offener und spannender ist im Vergleich dazu das "Abenteuer Zukunft" von Eirik Newth. Der Norweger wendet sich eher - aber nicht nur - an jugendliche Leser. Seine Tour d'Horizon in das dritte Jahrtausend wirkt dabei viel sachlicher und weniger zukunftsverzückt als ein Großteil der einschlägigen Literatur für Erwachsene.

Das ist gut erzählt, nicht von oben herab gesprochen, Raterei, die auf Wissen beruht, wie Newth die Futurologie definiert. Das lässt hoffen. Auf die Zukunft des Buches.

Martin Bernhofer (Hg.): Fragen an das 21. Jahrhundert. Wien 2000 (Zsolnay). 359 S., öS 291,-.

Bert Beyers: Die Zukunftsmacher. Denker, Planer, Manager des 21. Jahrhunderts. Frankfurt/Main, New York 1999 (Campus). 258 S., öS 254,-.

Hans-Jürgen Warnecke (Hg,): Projekt Zukunft. Die Megatrends in Wissenschaft und Technik. Köln 1999 (vgs). 191 S., öS 364,-.

Eirik Newth: Abenteuer Zukunft. Projekte und Visionen für das 3. Jahrtausend. Aus dem Norwegischen von Ina Kronenberger. München/Wien 2000 (Hanser). 311 S., öS 291,-.

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