Ente à la Brillat-Savarin oder: Ente à l'orange ohne Orangen
Zutaten für 6 Personen:
6 Entenkeulen
10 cl Cointreau
Salz, Pfeffer, Thymian, Lorbeerblätter
20 g Butter
"Die Entdeckung eines neuen Gerichts ist für die Menschheit von größerem Nutzen als die Entdeckung eines neuen Gestirns." Das meinte kein Geringerer als der wahrscheinlich größte Gastrosoph aller Zeiten, Jean Anthelme Brillat-Savarin (1755- 1826), der weiland selbst mit einem Chemiker zusammenarbeitete, um den wichtigsten Aromastoff des Fleisches zu bestimmen. Nun, Hervé This-Benckhard hat zwar kein neues Gericht entdeckt. Aber er hat immerhin die Ente à l'orange, einen komplizierten und zeitaufwendigen Klassiker der französischen Küche, neu erfunden. Und zwar unter Zuhilfenahme neuer gastrochemischer bzw. -physikalischer Erkenntnisse sowie - schluck! - der Mikrowelle und einer Injektionsnadel.
1. Den Cointreau mit etwas Salz in einer Schüssel verrühren; die Gewürze beigeben und darin ziehen lassen. Weil der Cointreau ein Orangenlikör ist, braucht es für diese Ente à l'orange keine Orangen wie im Originalrezept. Thymian und Lorbeerblätter müssen möglichst klein geschnitten werden, der Aromamoleküle wegen.
2. Die Entenkeulen bei starker Hitze mit geklärter Butter in einer Pfanne anbräunen. Warum keine normale Butter? Ganz einfach: weil die aufgrund der Proteine (insbesondere: des Kaseins) bei zu starker Hitze unweigerlich schwarz wird. Um Butter zu klären, lässt man normale Butter bei milder Hitze einfach langsam schmelzen, dann entfernt man den Schaum auf der Oberfläche und gießt die Flüssigkeit vorsichtig vom Bodensatz ab, der aus Wasser und den ausgefällten Proteinen besteht. Geklärte Butter besitzt nach wie vor den unverfälschten Buttergeschmack, hält sich außerdem länger als gewöhnliche Butter und verkohlt beim Kochen nicht.
Warum das Fleisch nicht gleich in die Mikrowelle? Weil es sonst fad und unaromatisch würde: Mikrowellen erhitzen vor allem die wasserhältigen Zonen und daher von innen heraus. Gebratenes Fleisch hingegen ist deshalb so schmackhaft, weil an der Oberfläche des Fleisches Aromamoleküle entstehen, wenn die Zucker (wie z.B. die Glukose), die Fette und die Aminosäuren (die Moleküle der Proteine) bei hohen Temperaturen erhitzt werden. Diesen Vorgang nennen die Gastrochemiker Maillard-Reaktion.
3. Die gut gebräunten Entenkeulen mit Küchenkrepp abtupfen. Auch molekulargastronomische Küche achtet auf die Linie. Das Fett braucht man ab jetzt nicht mehr!
4. Die Cointreau-Mischung filtern und - jetzt kommts - in eine Injektionsspritze füllen. Damit an mehreren Stellen in die Entenkeulen spritzen. Dazu zwei Tipps: eine möglichst dicke Nadel verwenden und diese nach Gebrauch sofort mit heißem Wasser reinigen.
5. Die Entenkeulen einige Minuten in die Mikrowelle geben. Sofort servieren. Die Garzeit des Fleisches hängt von der Stärke des Mikrowellenherds, von der Größe der Entenkeulen und ihrer Anzahl ab.
Zu diesem Gericht werden in der klassischen Version Orangenspalten gereicht, die, von allen Fasern, Häuten und Kernen befreit, mit dem Garsaft der Ente erhitzt werden. Das kann man in der Instantversion à la This-Benckhard natürlich auch mit dem Entenjus von Schritt 2 machen. Nur würde man dann für die Ente à l'orange doch wieder Orangen benötigen - unnötigerweise.
Quelle: Hervé This-Benckhard: Kulinarische Geheimnisse. 55 Rezepte - naturwissenschaftlich erklärt, S. 201-204.