Karriereplanung

Das Personalkarussell der Wissenschaft

Herbert Hrachovec
vom 09.06.2010

Vor 1975, also bevor Hertha Firnbergs Universitätsorganisationsgesetz (UOG) die österreichische Hochschullandschaft gründlich reformierte, hing der Karriereverlauf einer jungen Wissenschaftlerin eng am Wohlwollen der Professorin, die sie als Assistentin ausgewählt hatte.

Einem Zweijahresvertag folgte die Möglichkeit weiterer Vierjahresverträge, das konnte zweierlei bedeuten. Entweder die Nicht-Verlängerung nach Gutdünken der Chefin oder andererseits die Weiterbestellung bis zu einem Zeitraum von maximal 12 Jahren. Bis dahin musste man habilitiert sein, um fix angestellt werden zu können.

Aufmüpfige Personen flogen schnell hinaus, im Regelfall habilitierte man sich im Lauf von 6 bis 10 Jahren und wurde anschließend als Universitätsdozentin pragmatisiert. Nach 10 Jahren an einem Institut, also etwa Mitte dreißig, war die Kandidatin oft fest in der Institution verankert und hatte ihre Fürsprecher gefunden. Zwei interne Gutachten reichten zur Dozentur; wenn das nicht glückte, konnte die Stelle zu einer „wissenschaftlichen Beamtin“ heruntergestuft werden.

Diese dienstrechtlichen Regelungen blieben auch nach 1975 in Kraft, doch die Kräfteverteilung innerhalb der universitären Selbstverwaltung änderte sich dramatisch. Eine viertelparitätisch zusammengesetzte „Personalkommission“ entschied über die Bestellung und Verlängerung von Dienstposten.

Das hieß: Den Professorinnen standen „Mittelbau“ und Studierende gleich stark gegenüber. Vertreterinnen, die in interner Konkurrenz mit den zu beurteilenden Personen standen und (sagen wir) 22-jährige Hörerinnen in der Mitte ihres Studiums griffen maßgeblich in den Prozess ein. Das Ergebnis war – wie beabsichtigt – eine Schwächung der professoralen Autonomie. Es konnte gelingen, gegen die Lehrkanzelinhaber in deren eigene Personalpolitik einzugreifen. (Die mangelnde Kooperationsfähigkeit mancher Professorinnen des alten Typs spielte dabei eine wichtige Rolle.) Das waren 25 Jahre lang die Anstellungsbedingungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Konformität mit der verantwortlichen Professorin oder eine Koalition zwischen Arbeitskolleginnen und Studentenvertreterinnen konnten den Arbeitsplatz sichern. Willkürliche Entlassungen waren kaum durchführbar.

Allerdings hatte dieses System auch eine Schattenseite. Es erwies sich als praktisch unmöglich, einer Angestellten auf Kurs zur Pragmatisierung eine Bewerberin vorzuziehen, die besser ausgewiesen war. Wer einmal „drinnen“ war, wurde in aller Regel „verlängert“ und schließlich definitiv angestellt. Das Ergebnis ist leicht vorauszusehen: die sogenannten „a.o. Professorinnen“ besetzten auf Lebenszeit jene Planposten, die zur Heranbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses dienen sollten. Generationen von jüngeren Forscherinnen erhielten nicht die Chance, die jenen früher Geborenen zugefallen war.

Neben den permanenten Vollzeit-Verträgen entwickelten sich zunehmend Beschäftigungen unter schlechteren Bedingungen. Lehraufträge, Projektarbeiten und seit der Busek-Reform 1993, welche die Personalkommissionen abschaffte, die „Säule 1“- und „Säule 2“-Stellen, zu besetzen durch die Institutsleitung.

Die Unterbrechung des Karriere-Automatismus der 80er und frühen 90er Jahre bedeutete eine Chance für Bewerberinnen aus dem dichten universitären Umfeld, doch diese Gelegenheit wurde durch das UG 2002 rigoros beschnitten. Unter Verweis auf die professoralen und gewerkschaftlichen Berufssicherungsstrategien früherer Jahre wurde jede Verlängerung eines 6-Jahres-Vertrages untersagt. Die gesetzliche Beschränkung der Teilzeit-Kettenverträge verstärkte den Effekt. Die alte Blockade lag darin, dass es keine freien Stellen gab; die neue liegt darin, dass bei noch so hoher Qualifikation keine Chance besteht, eine Stelle zu behalten.

Der seit 2009 geltende Kollektivvertrag hat die Möglichkeit kontinuierlicher Karriereverläufe durch das Instrument der „Qualifikationsvereinbarung“ etwas erhöht, doch das greift langsam und wird an den Hochschulen unterschiedlich umgesetzt.

Die Universität Wien hat in den beiden vergangenen Jahren etwa 40 junge Wissenschaftlerinnen (m/w) auf Dauer angestellt. Sie will nur jene fix verpflichten, die ein härteres Begutachtungsverfahren durchlaufen als viele derzeit beschäftigte Professorinnen, die in der Fakultät ausgewählt und per Dekret vom Ministerium bestellt wurden.

Zwei Tendenzen stehen einander in wechselnden politischen Kontexten mit unterschiedlichen Erfolgsaussichten gegenüber. Das Interesse der Klientelbildung und der betrieblichen Sicherung von Arbeitsplätzen verlangt Kontinuität und Schutz der Angestellten.

Das widerspricht im Prinzip der Chancengleichheit und dem Leistungsgrundsatz. In aller Regel taucht einige Zeit nach einer Anstellung eine andere Person auf, die „besser“ als die ausgewählte Wissenschaftlerin ist und keine Aussicht mehr auf ihren Posten hat. Der Widerspruch lässt sich nicht aus der Welt schaffen.

Die Situation in Österreich ist dadurch gekennzeichnet, dass in den vergangenen 40 Jahren unabsehbar zwischen den Extremen hin- und hergeschaltet wurde. Es kann für in den Universitätsdienst eintretende Wissenschaftlerinnen kein Versprechen auf eine Dauerstellung geben.

Aber man kann verlangen, dass die Bedingungen, unter denen sich die Aussichten entscheiden, halbwegs vernünftig und halbwegs gleichbleibend gestaltet sind. Beides war im genannten Zeitabschnitt nicht der Fall. Es ist nicht die einzige Planlosigkeit der nationalen Bildungspolitik.

Herbert Hrachovec, Philosoph, Vorstand des Instituts für Philosophie und Vorsitzender der Curricularkommission des Senats der Uni Wien

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