Klimawandel in Österreich
vom 27.10.2011
Wie wirkt sich der Klimawandel momentan auf unsere Forst-, Land- und Wasserwirtschaft aus? Eine Bestandsaufnahme
Klima und Wetter beeinflussen das Artenspektrum und das Ertragspotenzial in der Landwirtschaft. In der Forstwirtschaft wirkt sich das Klima auf die langen Lebenszyklen von Wäldern aus. Auch der Wasserbau unterliegt klimatischen Faktoren. Die Auswirkungen, die der Klimawandel auf Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Wasserbau haben wird, sind allerdings nicht eindeutig. Denn: In welche Richtung entwickelt sich das Klima in Österreich überhaupt? Doch zunächst ein Blick in die gegenwärtige Praxis zweier heimischer Großgrundbetriebe.
Gutes Jahr für die Forstwirtschaft,
weniger gut für die Landwirtschaft
In Österreich ist die Temperatur in den letzten drei Jahrzehnten um rund 1,5 Grad gestiegen. In der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts wird für Europa im Mittel ein weiterer Anstieg von 1 bis 3 Grad erwartet.
Neben der Temperatur ist vor allem der Niederschlag wichtig. "Für die Forstwirtschaft war heuer ein gutes, feuchtes Jahr. Niederschlag und Bodenfeuchtigkeit sind ganz wesentlich für die Widerstandsfähigkeit der Bäume“, sagt Matthias Grün, Leiter des Forst- und Naturmanagements bei Esterházy im Burgenland.
Für die Landwirtschaft war es allerdings zu feucht. Sie liegt im Einzugsgebiet des Neusiedlersees, und der hat zurzeit den Höchststand erreicht. "Letzten Herbst waren die Flächen so feucht, dass sie gar nicht mehr bewirtschaftet werden konnten. Bei uns gibt es entweder zu wenig oder zu viel Niederschlag“, erklärt Grün. An sich neigt das Burgenland zu Trockenheit - in der Landwirtschaft sind Bewässerungssysteme im Einsatz; nun denkt man auch an Grabensysteme und Drainagen.
Die Fichte zieht sich zurück,
doch der Wein wächst
Die Forstwirtschaft ist durch einen Mischbestand auf den Klimawandel vorbereitet. "Wir haben über 30 Baumarten. Dadurch sind die Bestände insgesamt stabiler und können auch auf Auswirkungen des Klimawandels flexibler reagieren“, sagt Grün. Da jede Baumart an einen Klimabereich gebunden ist, verändern sich mit der Erwärmung die jeweiligen Verbreitungsgebiete.
"Die Fichte wird sich weiter zurückziehen. Wo sie jetzt noch wächst, wird sie nicht mehr wachsen. Aber auch die Buche, die Eiche und andere heimische Bäume sind betroffen. Das ganze Ökosystem wird sich verschieben“, sagt Markus Hoyos von der Forstverwaltung Hoyos in Niederösterreich. Mit dem Klima verändert sich der Schädlingsbefall. "Schädlinge treten häufiger auf, auch in Regionen, wo sie bis jetzt noch nicht waren.“
Hoyos betont, dass gerade im Waldbau an Nachhaltigkeit zu denken sei. "Wir pflanzen jetzt, was unsere Ur- oder Ururenkel nutzen werden.“
Höhere Temperaturen können sich aber auch positiv auswirken. Durch verlängerte Vegetationszeiten sind höhere Erträge möglich - zum Beispiel im Weinbau, der auch durch eine Erweiterung der Anbaugebiete profitieren könnte. "Der Rotweinanbau könnte begünstigt werden, der Weißweinanbau eher nicht“, sagt Josef Pusch, Önologe bei Esterházy.
Es herrscht eine große Unsicherheit bei den Voraussagen
Auch im Weinbau ist der Niederschlag von Bedeutung. Zu viel davon kann zu Pilzerkrankungen führen, zu wenig zu Stressreaktionen der Reben. "In den letzten Jahren gibt es enorme Schwankungen in Temperatur und Niederschlag. Nach einem mediterran heißen Jahr folgt oft ein kühles, nasses“, berichtet Pusch. Weinbauern seien zunehmend von "Wetterkapriolen“ wie Starkregen, Sturm und Hagel verunsichert.
Höhere Temperaturen, einmal zu feucht, einmal zu trocken, dazwischen Extremereignisse - das sind die Szenarien der Auswirkungen des Klimawandels. Das kann zu Qualitätseinbußen, Ernteausfällen, einer Verringerung der Artenvielfalt, Bodenerosion, Trockenstress in Wäldern bis hin zum Waldbrand und verstärkten Wasserengpässen führen.
In Österreich gibt es unterschiedliche Klimaräume mit unterschiedlichen Temperatur- und Niederschlagsverhältnissen. Also wirkt sich auch der Klimawandel regional und lokal unterschiedlich aus.
Die Temperaturen steigen, das ist sicher, aber gerade bei kleinräumigen Auswirkungen, Extremereignissen und Niederschlag gibt es Unsicherheiten. "Das Thema Unsicherheiten ist eines der intensivsten Forschungsthemen“, sagt Andreas Gobiet, Klimaforscher am Wegener Zentrum für Klima und Globalen Wandel in Graz. Allgemein wird zum Beispiel eine Zunahme der Niederschläge im Winter und eine Abnahme im Sommer erwartet. Diese Prognose beruht aber nach wie vor auf unsicheren Informationen. Österreich befindet sich im kontinentalen Übergangsbereich zwischen Niederschlagszunahme im Norden und -abnahme im Süden, was eindeutige Aussagen schwierig macht. Möglich ist auch eine Zunahme der Niederschlagsvariabilität, wodurch es wiederum zu mehr Starkniederschlägen kommen kann.
"Unsicherheiten muss man zugeben, und Trendwenden gibt es immer wieder“, sagt Reinhard Böhm, Klimaforscher bei ZAMG, der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik in Wien. Falls überhaupt Trends erkannt werden können. Für Extremereignisse wie Starkniederschläge ist das besonders schwierig. Wichtig ist, zwischen langfristigen Trends und kurzfristigen Schwankungen zu unterscheiden. "Kurven zeigen oft die Variabilität von Jahr zu Jahr. Das ist aber nicht aussagekräftig. Der Hintergrundtrend wird erst später sichtbar. Er wird von kurzfristigen Ereignissen überlagert“, sagt Böhm.
Vergleichsweise harmlose Auswirkungen in Österreich
Trotz aller Unsicherheiten, ein Trend ist zu erkennen mit Folgen für Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Wasserbau - es geht in Richtung Trockenheit. "Ausschlaggebend ist die Bodenfeuchte. Niederschlag steuert kurzfristig. Aufgrund des Temperaturanstiegs kommt es langfristig zu einer stärkeren Verdunstung, was zu Trockenheit führt“, erklärt Böhm. Durch Fortschritte in der regionalen Klimamodellierung (Klimamodelle sind Computerprogramme, die die Entwicklung des Klimas berechnen) sollten in fünf bis zehn Jahren dann auch aussagekräftigere Ergebnisse zu den Extremereignissen vorliegen. Die Frage ist, ob sich die Liste der Szenarien dann verlängert oder verkürzt.
Schlussendlich sind noch zwei Dinge wichtig: Nicht jedes Wettergeschehen geht auf den vom Menschen verursachten Klimawandel zurück. "Sowohl als auch“, sagt Böhm - es gibt einen anthropogenen und einen natürlichen Anteil. An "sowohl als auch“ solle man sich auch bei Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen halten, sagt Gobiet. Und noch etwas: Im Vergleich zu anderen Ländern sind die Auswirkungen des Klimawandels in Österreich harmlos.