Editorial

Christian Zillner
vom 20.06.2012

Er gilt als einer der Schutzheiligen von Lehrern (sie brauchen begreiflicherweise mehr als einen): Kassian, im vierten Jahrhundert als Märtyrer in Imola verstorben. Hingerichtet von seinen eigenen Schülern, die ihn mit ihren eisernen Griffeln zu Tode marterten - angeblich mit großem Eifer, hatten sie doch zuvor unter seinen Watschen gelitten. In Österreich erfreut sich Kassian besonders unter den Tirolern großer Verehrung - ob sich davon eine spezielle tirolerische Haltung Pädagogen gegenüber ableiten lässt, wer weiß.

Zu Zeiten Kassians hatten jene, die als "Wissenschafter“ galten, eine klare Einstellung zu Kindern. Sie waren unvollkommene Dinger auf dem Weg zum Erwachsensein. Schulbildung bedeutete unter besser gestellten Römern, Kindern Herrschaftswissen anzutrainieren und sie zu lehren, Prügel einzustecken als Vorbereitung für ein späteres Wirken in der res publica.

Die pädagogischen Ziele unserer Zeit sind dieser Konzeption von Bildung diametral entgegengesetzt - sieht man von britischen Eliteschulen ab, die offenbar den antiken Lehrzielen verpflichtet bleiben. Wir schätzen Kinder als eigene Wesen und wollen durch Bildung ihre Persönlichkeit stärken und ihr kreatives Potenzial entwickeln. Gut wäre, wenn wir dafür die richtige Form finden würden - mein Tipp: Macht es wie die Finnen.

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