Brief aus Brüssel

Emily Walton
vom 24.04.2013

Beim EU-Gipfel zählt nicht nur politisches Geschick: Ausdauer ist gefragt -vor allem wenn es darum geht, ohne Schlaf durchzuhalten. (Der Spiegel ging so weit, zu schreiben: "Politik ist ein einfaches Spiel: Es sitzen viele Menschen um einen Tisch herum, und am Ende gewinnt der, der am längsten wach bleibt.") Kurz: Wer es nach einem 20-Stunden-Tag noch schafft, der Argumentationslinie zu folgen oder gar selbst Vorschläge auf den Tisch zu bringen, anstatt aus Müdigkeit irgendwann zuzustimmen, siegt.

Was genau bei den Gipfel-Sitzungen passiert (ob die Politiker sich Streichhölzer zwischen die Lider klemmen oder wegnicken), bleibt hinter verschlossenen Türen. Nicht einmal die erfahrensten Brüssel-Journalisten haben Einblick.

Verfolgen können die Korrespondenten aber, wie Koffein palettenweise angekarrt wird. Eine bessere Werbung für Nespresso-Kapseln und Red Bull könnte es nicht geben. Und auch Zucker ist gefragt: Familienpackungen Schokolade und Kekse sollen müde Staatsträger munter machen.

Während drinnen also die Gehirnradln mit Koffein und Zucker "geölt" werden, warten draußen die anderen - die Journalisten, die freilich nicht mehr Schlaf bekommen. Ein Gipfelabend ist lang, vor allem dann, wenn nichts durchsickert. Wenn Pressesprecher milde lächeln und sagen: "Schaut so aus, als könnte es dauern."

Verständlich, dass auch die Journalistenmägen irgendwann zu knurren beginnen. Vor Ort werden sie gut versorgt: Es gibt zwei Kantinen und eine Presse-Bar, die übrigens den Namen "Café Autriche" trägt, weil sie 2006 eröffnet wurde, als Österreich die Ratspräsidentschaft innehatte. Warmes, Kaltes, Üppiges, Leichtes wird serviert. Hauptsache: schnell. Gegessen wird hier nicht mit Genuss, sondern rein als Mittel zum Zweck.

Positiv war bisher: Das Essen war gratis.

Seit Jahresbeginn wird auch hier gespart. Zu Recht. Zwar sind Korrespondentengehälter nicht mit anderen Brüssel-Gehältern zu vergleichen, aber ausreichend, um sich selbst zu verpflegen. Dass ein Marathongipfel dann aber gleich so ins Geld geht, hätten die Wenigsten geahnt: Von Kantinenpreisen - wie in vielen Firmen üblich -keine Spur. Eher orientiert man sich an den (hohen) Brüsseler Restaurantpreisen. Und wenn ein kurzer Kaffee fast drei Euro kostet, kann eine Nacht, die bis zwei, drei, vier Uhr morgens anhält, ein teures Vergnü... ich meine eine teure Pflicht werden. Oder eine lange Nacht.

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