GASTKOMMENTAR

Die Zukunft der medizinischen Forschung in Österreich

Markus Müller
vom 06.04.2016

Die Hochblüte der internationalen Reputation der österreichischen Medizin ergab sich im 18. und 19. Jahrhundert. Sie wurde als die "Wiener Medizinische Schule" weltberühmt. Es gab gleich mehrere davon. Sie benannten jeweils eine ganze Generation von heimischen Medizinern. Selbst nach dieser Hochblüte, also zwischen den Jahren 1914 und 1936, wurden noch vier Nobelpreise an österreichische Mediziner vergeben.

Danach kam die große Zäsur. Es gab, bedingt durch die Vertreibung eines Großteils der akademischen Intelligenz durch den Nationalsozialismus, einen bis in die frühen 1990er-Jahre mit wenigen Ausnahmen spürbaren Verlust an internationalem Profil der medizinischen Forschung in Österreich. Beginnend mit den 1990er-Jahren kam es durch Infrastrukturmaßnahmen wie dem Bau des Wiener AKH, der Errichtung des IMP (Research Institute of Molecular Pathology) und mehrerer Akademieinstitute sowie einer verstärkten Internationalisierung zu einer Renaissance: Gemäß einer Thomson-Reutters-Analyse war die klinische Forschung in Österreich in den 1990er-und 2000er-Jahren eine der am stärksten wachsenden Disziplinen weltweit.

Medizinische Forschung macht heute etwa ein Drittel der gesamten Forschungsleistung Österreichs aus. Insbesondere die MedUni Wien zählt heute wieder zu den fünfzig besten "Medical Schools" weltweit und zu den besten fünf im deutschsprachigen Raum.

In Anbetracht der budgetären Situation -die US-amerikanische Universität Stanford verfügt über ein höheres Jahresbudget als alle österreichischen Universitäten zusammen - und einer generellen gesellschaftlichen Technologieskepsis (erkennbar am aktuellen Eurobarometer) ist das ein bemerkenswertes Ergebnis.

Wie wird es nun weitergehen? Am Standort Wien kam es jüngst zu einer vertraglichen Einigung zwischen Bund und Stadt Wien über eine bauliche Erweiterung des MedUni Wien/AKH Campus mit der Errichtung eines medizinischen Technologieparks für personalisierte und translationale Medizin sowie diverse Aktivitäten im Bereich Technologietransfer.

Dies und die rezenten Investitionen an den Medizinstandorten Graz und Innsbruck sowie die institutionellen Kooperationen mit den Life Science Universitäten, IMP, Institute of Science and Technology IST Austria, Research Center for Molecular Medicine CeMM und Institute of Molecular Biotechnology IMBA der Österreichischen Akademie der Wissenschaften werden aller Voraussicht nach dazu führen, dass die Aufholjagd des Standortes Österreich zur internationalen Spitze weitergehen wird. Die beiden lokalen Themen, nämlich die geringe relative Finanzkraft und die gesellschaftliche Technologieskepsis werden jedoch für die österreichische Position im internationalen Wettbewerb weiterhin eine Rolle spielen.

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