Innovationsdruck: Basis für Open Innovation

Die Entwicklung des 3D-Drucks ist ein Beispiel für Open Innovation - und ihr Limit

Werner Sturmberger
vom 06.04.2016

Es wird gebohrt, gefeilt, gefräst und gedruckt. Das "Happylab" in der Haussteinstraße in der Wiener Leopoldstadt ist voller Werkzeuge und Maschinen. Die Menschen an diesen Maschinen sind so unterschiedlich wie die Ideen, die sie umsetzen wollen. Darunter sind sogenannte "Hobbybastler, die das nächste Geburtstagsgeschenk für die Oma anfertigen wollen, aber auch Studierende, die hier an ihren Uni-Projekten arbeiten. Natürlich auch Kunstschaffende, Modellbauer und Forscher. Und nicht zuletzt auch Gründer oder Mitarbeiter von Start-ups, die erste Prototypen von ihren Produkten anfertigen", beschreibt Leyla Jafarmadar vom Happylab ihre Klientel.

Viele der innovativsten Projekte im Happylab entstehen rund um den 3D-Drucker: eine analoge Fotokamera, eine Videobrille, die eine entspannte Behandlung von Patienten erlauben soll, oder ein Messgerät zur Visualisierung solarer Wasserdesinfektion mithilfe von PET-Flaschen für Entwicklungsländer. Für all diese Innovationen ist ein 3D-Drucker die technische Voraussetzung schlechthin.

3D-Druck: Verfahren für Wissenschafter und Kreative

"Im Prinzip funktioniert es wie beim gewöhnlichen Drucker", erklärt Jürgen Stampfl. Er leitet die Forschungsgruppe Additive Manufacturing Technologies an der TU Wien.

Im 3D-Druck werden die gedruckten Schichten übereinander gestapelt und dann verbunden. Die Schichten sind extrem dünn, sie liegen im Mikrometerbereich. Die Auflösung der Drucker ist daher auch extrem fein. Ein fertiges Objekt besteht meist aus Tausenden von Schichten.

Im Unterschied zu sogenannten subtraktiven Verfahren wie Bohren, Fräsen oder Ätzen lassen sich mit dem 3D-Druck fast ohne Einschränkungen Werkstücke in allen erdenklichen Formen herstellen. "Man hat eine viel größere Designfreiheit. Im Metallbereich lassen sich etwa Geometrien fertigen, die man sonst gar nicht herstellen könnte", sagt Stampfl.

Die gängigsten 3D-Drucker arbeiten mit Lasern oder Düsen, eine aufwendige Nachbearbeitung entfällt in den meisten Fällen. So lassen sich Klein-oder Kleinstserien und Einzelstücke, etwa individuell angepasste Prothesen, verhältnismäßig günstig herstellen. Das Verfahren ist daher prädestiniert für die Produktion von Vorserienmodellen.

Anfänglich wurde es daher auch als "rapid prototyping" bezeichnet. Bei Kreativen aller Disziplinen steht es hoch im Kurs.

In vielen Medien wird 3D-Druck stark gehypt. Doch anders als den Hype gibt es 3D-Drucker bereits seit vierzig Jahren. Die Gründe dafür, weshalb sich diese Technologie so langsam durchsetzt, ähneln jenen bei der Entwicklung des Personal-Computers: "Industriell wird die Technologie bereits länger angewendet. Die Hersteller waren aber lange Zeit der Meinung, dass es dafür keinen Markt bei Privatanwendern gäbe", meint Bernhard Kubicek, Physiker und 3D-Druck-Pionier. Dass sich diese Situation allmählich änderte, lag nicht nur an technologischen Fortschritten und der Möglichkeit, handlichere Geräte zu bauen.

Mit Adrian Bowyer, Professor an der University of Bath, und seinem RepRap-Projekt wurden die Karten des 3D-Druckermarktes neu gemischt. Wie bei der Open-Source-Software, welche die Entwicklung frei zugänglicher und veränderbarere Programme ermöglicht, sollte es im Bereich 3D-Druck eine Open Hardware geben. Konstruktionspläne und Steuerprogramme von Maschinen sollten frei zugänglich werden. Bowyer kombinierte diese Open Hardware mit der Idee des Rapid Prototyping. So kam es zum RepRap (Replicating Rapid Prototyper). Der Clou an dieser 2006 präsentierten Maschine: Der Drucker kann fast alle seiner Bestandteile selbst herstellen und sich damit quasi vervielfältigen.

3D-Drucker als Instrument gegen die Wegwerf-Ökonomie?

"Ich komme vom CNC-Fräsen und habe 3D-Druck für einen totalen Blödsinn gehalten", bekennt der Physiker Kubicek. "Ich habe dann aber doch einen gekauft und begonnen, damit herumzuspielen." Nach rund einem Monat konnte er mit dem Gerät problemlos drucken. Vorlagen sind als CAD- Dateien (Computer Assisted Design) auf unterschiedlichen Internetplattformen meist kostenfrei zugänglich. Das Angebot reicht von Modeschmuck bis zur funktionierenden Pistole. Neben einer Vielzahl an Produkten mit beschränktem Nutzen gibt es ein Sammelsurium an Plänen für Ersatzteile unterschiedlichster Dinge. Manche sehen den 3D-Drucker eben auch als ein Instrument im Kampf gegen die Wegwerf-Ökonomie.

"Das ,Herumdrucken' macht eine Zeit lang Spaß", erklärt Kubicek. "Irgendwann will man aber nicht mehr auf die Entwürfe anderer angewiesen sein, sondern eigene Sachen drucken. Dazu muss man jedoch CAD beherrschen. Das ist nach wie vor das größte Hindernis bei der ganzen Sache." Erst nach vier Jahren Übung habe sich bei ihm das Gefühl eingestellt, alles gedruckt zu haben, was er je drucken wollte. Heute stellt er vor allem Apparaturen für seine physikalischen Versuchsanordnungen her.

Wie Open Innovation in der 3D-Druckerpraxis funktioniert

"Der Hype in der 3D-Drucker-Szene ist seit zwei Jahren vorbei", sagt Kubicek. "Im Moment befinden wir uns auf einer Talfahrt. Oder wir sind schon ganz unten angekommen."

Die Szene hatte sich auch deshalb gebildet, weil anfangs das Softwareangebot klein war. Die meisten Anwender standen vor denselben Problemen und arbeiteten gemeinsam daran. "Genau wie beim PC gab es sehr wenige Software, auf die man zugreifen konnte. So haben Bastler Chips und Platinen gebaut. Und viele haben begonnen, Software zu schreiben", erklärt Kubicek. Die Programme verbreiteten sich schnell und wurden binnen kurzer Zeit von Hunderten Anwendern genutzt, kommentiert und überarbeitet. Die Motivation, sich einzubringen, entstand nicht durch die Technologie, sondern durch das soziale Netzwerk, das sich um diese gebildet hatte.

"Open Innovation hat im Fall von 3D-Druck hervorragend funktioniert. Es hat die Entwicklung massiv beschleunigt. Das geht aber nur, so lange alle miteinander teilen und Informationen bereitstellen", sagt Kubicek. In den USA nannte sich die Szene "Maker", also Macher. Ähnlich wie die (gescheiterte)"Arts&Crafts"-Bewegung einer früheren Epoche hoffen sie auf eine breite Wiederbelebung handwerklicher Tradition.

Nachdem die Szene einen Markt für 3D-Drucker geschaffen hatte, traten auch Unternehmen auf den Plan. Als Start-ups. Freilich sind Unternehmen im Regelfall nicht am Teilen von Information interessiert, weil sie diese als geistiges Eigentum betrachten. Einige Start-ups "kannibalisierten" das Do-It-Yourself-Ethos der Szene für die Erfüllung ihres Businessplans. Zum einen über den finanziellen Input der Maker in Form von Crowd-Funding. Zum anderen durch Abschöpfen ihrer intellektuellen Leistungen.

Mit dem Selbstverständnis und der Dynamik der Szene war diese Entwicklung nicht in Einklang zu bringen. Ihre Innovationskraft wurde geschwächt. So kühlte sich die Euphorie in der Szene ab, während 3D-Druck im Bereich der kommerziellen Produktinnovation immer wichtiger wird. Ein Beispiel dafür, wie Open Innovation durch Kommerzialisierung eingeschränkt werden kann.

Kubicek hat ein Interface entwickelt, das es ermöglicht, 3D-Drucker ohne Computer zu betreiben und Modelle direkt von SD-Speicherkarten zu drucken. Mittlerweile ist es bei vielen kommerziellen Anbietern erhältlich. Geld für seine Entwicklung hat er nie gesehen.

Open Innovation im professionellen akademischen Umfeld

Innovationen im 3D-Druck kommen nun in erster Linie aus Forschungsgruppen wie jener von Jürgen Stampfl an der TU Wien. Für die meisten Privaten ist der 3D-Druck hinsichtlich Größe und Material (hauptsächlich sind Thermoplaste wie Polylactat im Einsatz) der zu druckenden Gegenstände limitiert. Für die industrielle Anwendung der Technologie, "Additive Manufacturing" genannt, gilt das in geringerem Umfang. Besondere Bedeutung kommt dem 3D-Druck von Metall, Keramik und zunehmend Körpergewebe zu. In China werden mit riesigen Betondruckern mittlerweile komplette Bauelemente gefertigt. Das Drucken von Ersatzorganen ist aber noch Zukunftsmusik.

Nun ist das Innovationssystem nicht mehr das einer Szene, sondern wird professionell gesteuert. "Gerade bei anwendungsorientierten Projekten arbeiten wir, international vernetzt, mit Firmen zusammen", erklärt Stampfl. "Wir forschen intensiv im Bereich Keramik. Bei solch spezifischen Anwendungen kosten Innovationen Geld. Firmen stellen Mittel natürlich nur zur Verfügung, wenn sie sich davon auch einen Ertrag versprechen." Dieser Ertrag ist dann eben oft geistiges Eigentum, etwa in Form von Patenten.

In der Wissenschaft ist angewandte Forschung aber nur Teil des Ganzen, wie Stampfl in Erinnerung ruft: "Die Grundlagenforschung und der offene Austausch darüber sind ist ja auch nichts anderes als Open Innovation. Publizieren heißt per se etwas öffentlich zu machen." Allerdings ist Wissenschaft ein System von Profis. Triebfeder hinter Publikationen, Diskussionen und Evaluierungen ist in erster Linie die wissenschaftliche Karriere. Um hier mitmachen zu können, braucht man einen Hochschulabschluss.

Ist die Macher-Vision der 3D-Drucker-Szene gescheitert?

Noch immer knüpfen sich Hoffnungen an den 3D-Druck. Bowyer erwartete etwa, sein RepRap werde "ein revolutionäres Eigentum an den Produktionsmitteln durch das Proletariat ermöglichen -ohne den chaotischen und gefährlichen Revolutionskram." Andere, darunter viele nationale Regierungen, träumen deutlich bescheidener: Sie erhoffen sich eine Ankurbelung der Konjunktur durch eine neue Generation von Konsumgütern aus dem 3D-Drucker.

Bowyers Vision kann bereits jetzt als gescheitert gelten. 3D-Druck in seinem Sinne kann die kapitalistischen Produktionsweisen vielleicht in Einzelfällen aushebeln, aufgrund der beschränkten Anwendungsmöglichkeiten aber nicht großflächig ersetzen.

Die Technologie wird im Gegenteil immer mehr Teil dieser Produktionsweise.

Wie groß der Einfluss von 3D-Druck und wie innovativ dessen Anwendung sein wird, hängt von vielen Faktoren ab. Christine Hamža, selbstständige Konsulentin für Strategieentwicklung, warnt davor, Open Innovation und 3D-Druck gleichzusetzen. "Es ist vor allem eine Frage der Einbettung dieser Technologie", sagt sie. Dazu zählen unter anderem rechtliche Rahmenbedingungen. Fragen intellektuellen Eigentums stehen hier im Moment im Fokus.

"Der Zugang zu einem 3D-Drucker oder anderen digitalen Fertigungstechniken ist natürlich vorteilhaft. Das allein schafft aber noch kein innovatives Produkt. Neben einer Idee braucht man auch die Fertigkeiten, diese umzusetzen." Zumindest braucht man für die Umsetzung einer Idee CAD-Kenntnisse.

Fab-Labs sollen die handwerkliche Selbstermächtigung beschleunigen

Erlernen kann man diese in Fab-Labs (Fabrikations-Labor) wie dem Happylab. Sie sind für Hamža ein besonders sympathisches Beispiel für erfolgreiche Bottomup-Prozesse im Bereich Open Innovation. Initiator dieser mittlerweile globalen Bewegung -über 350 Werkstätten in mehr als 60 Ländern -ist der MIT-Professor Neil Gershenfeld.

Das Fab-Lab ist eine Art Werkstatt im Sinne der Volkshochschulen. Es soll künftige Generationen in die Lage versetzen, unabhängig zu werden und genau die Technologien sich anzueignen, die Gemeinschaften wirklich benötigen. Das sind in vielen Fällen andere als die am Markt erhältlichen.

Dass sich Fab-Labs steigender Beliebtheit erfreuen, liegt sicherlich auch an den Folgen der Marktwirtschaft: Finanzielle Engpässe und steigende Unzufriedenheit mit den Wegwerfprodukten der Konsumgesellschaft animieren Menschen dazu, Dinge selbst herzustellen. Entscheidend sind aber auch die digitalen Herstellungsverfahren. So können auch Menschen, die kein herkömmliches Werkzeug professionell oder zumindest verletzungsfrei bedienen können, ausgefeilte Produkte anfertigen.

Damit erfüllt ein Fab-Lab eine der zentralen Forderungen Gershenfelds: Es soll ein Ort sein, an dem die Unterschiede zwischen Hand-und Kopfarbeit aufgehoben sind. Beide Arbeitsformen sollen wieder zueinander finden, um die technische Entmündigung des Menschen im 20. Jahrhundert aufzuheben. Der 3D-Druck könnte so jene Wissenslücke füllen, die das Aussterben von Handwerksberufen hinterlässt.

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