Ein Klima des Vertrauens schaffen
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Wie an so vielen anderen Plätzen in Wien hatte auch im Wurstelprater der "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 direkte Auswirkungen auf das Leben der Menschen. Für den Wiener Prater stellte er eine Zäsur in seiner Geschichte dar. Er galt den Nazis als "unordentlich" und "schmutzig", sollte einer Neuorganisation zugeführt und wie ganz Wien "judenrein" werden. Doch bestand er dann auch unter dem NS -Regime weiter, eignete er sich doch dafür, die Bevölkerung von Gewaltherrschaft und Krieg abzulenken. So wurde er nationalsozialistisch umgestaltet. Praterbuden erhielten deutsche Namen, Attraktionen wie "Sturzkampfbomber" zogen ein und an Spielzeugautos und -flugzeugen wurden Maschinengewehre und Hakenkreuzembleme angebracht.
Besonders üble Auswirkungen hatte die Machtergreifung auf jene PraterbudenbesitzerInnen, die per NS- Definition als Jüdinnen oder Juden galten. Ihre Betriebe wurden von "arischen" BesitzerInnen neu übernommen oder aufgelöst. Es erfolgte also auch im Prater eine systematische Beraubung und Entrechtung von Jüdinnen und Juden.
Zentral war die "Vermögensverkehrsstelle" ab Mai 1938 für die Kontrolle und Genehmigung von "Arisierungen" zuständig. Darüber hinaus kam es auch im Prater kurz nach dem "Anschluss" zu Ausschreitungen, Plünderungen und willkürlichen Betriebsaneignungen.
Betroffen von den Enteignungen waren Gasthäuser, Cafés, kleinere Geschäfte, Fahrgeschäfte und die damals noch zahlreich vorhandenen Kinos, wie das Kino "Busch" oder das Kino "Lustspieltheater". Bis 1938 führten Bela und Rosa Honig das "Busch" in Pacht vom "Landesverein vom Roten Kreuz". Nach dem "Anschluss" wurde der Pachtvertrag umgehend gekündigt. 1941 fand in diesem, nun "judenreinen" Kino, auf Einladung des Gauleiters von Wien Baldur von Schirach die Präsentation des Films "Ohm Krüger" statt.
Austrofaschismus! Begründung der Nazis für Arisierungen
Das Kino "Lustspieltheater" gehörte bis zur Enteignung 1938 vier Personen, alle vier per NS-Definition Juden. Der Betrieb wurde von zwei Nationalsozialisten übernommen, einer von ihnen ein SS-Untersturmführer. Beide Profiteure waren bereits innerhalb der Verbotszeit der NSDAP im Austrofaschismus für die Partei aktiv gewesen. Sie beanspruchten das Kino als "Wiedergutmachung" für die angeblich in der Verbotszeit erlittenen Schäden und erhielten es in diesem Sinne von der Vermögensverkehrsstelle zugesprochen.
Das Motiv der "Wiedergutmachung" war durchaus zentral innerhalb der Enteignungsverfahren im Wiener Wurstelprater. Viele Personen, die bei der Vermögensverkehrsstelle um den Erwerb von Betrieben ansuchten, argumentierten ihr Ansinnen mit den angeblich erlittenen Schäden im Austrofaschismus.
Riesenrad und Liliputbahn: Denkmäler der Arisierung
Viele der Betriebe sind heute verschwunden. Einige gelten jedoch als Wiener Attraktionen, wie das Riesenrad oder die Liliputbahn. Das Wiener Riesenrad übernahmen vier Nationalsozialisten, die bereits vor dem "Anschluss" Österreichs im Austrofaschismus illegal für die NSDAP aktiv waren. Der vormalige Eigentümer Eduard Steiner starb im Konzentrationslager Ausschwitz-Birkenau. An der "Liliputbahn im Prater" hielt Samuel Deutschberger Geschäftsanteile in der Höhe von 20 Prozent. Nach dem "Anschluss" wurde er von seinen Geschäftspartnern gezwungen, entschädigungslos aus der Firma auszuscheiden.
Der Familie Deutschberger gehörten auch vier Gastwirtschaften, darunter die "Gulyas-Hütte I und II". Beide Betriebe wurden kurz nach dem "Anschluss" von "Ariern" übernommen. Die Profiteure waren zwei Brüder, Parteimitglieder der NSDAP schon zurzeit des Austrofaschismus. Samuel und Ida Deutschberger gelang 1940 die Flucht. Auch Deutschbergers Schwester Ida Fantl war vom Raubzug im Prater betroffen. Ihr Gasthaus "Zur Buschschleife" wurde von der bekennenden Nationalsozialistin und Ehefrau des Praterunternehmers Anton Kadermann übernommen. Fantl überlebte die Shoah nicht. Deutschbergers jüngerer Bruder Nathan und dessen Frau Olga verloren das Kaffee-Restaurant "Prohaska", in unmittelbarer Nähe des Riesenrades gelegen, an einen "arischen" Gastwirten. Nathan und Olga Deutschberger schafften es in die Emigration.
Restitutionen im Wurstelprater? Da lacht nicht einmal der Kasperl
Die Täter waren meist Parteimitglieder der NSDAP oder traten für die NS-Bewegung breites vor dem "Anschluss" aktiv auf. In vielen Fällen waren die beraubten EigentümerInnen und die NeuerwerberInnen miteinander bekannt. Die Nähe der Täter zum sozialen Umfeld des Wurstelpraters ist ein signifikantes Merkmal dieser Betriebsenteignungen.
Die meisten betroffenen Betriebe sind verschwunden. Die Geschichte während der NS-Zeit findet kaum Erwähnung. Restitution hat im Wurstelprater kaum stattgefunden.