: BRIEF AUS CAMBRIDGE

Postkoloniale Studien hindern die Elite am Putzen der eigenen Bude

Erasmus-Stipendiat Lukas Schöppl schreibt vom Jesus College der Universität Cambridge aus über britische Eliteausbildung

Lukas Schöppl
vom 06.12.2017

Remember, remember! Am heurigen 5. November flogen in Cambridge die Raketen in Erinnerung an Guy Fawkes und sein geplantes Attentat auf das Parlament 1605. Fragwürdigen Ereignissen wird also mit Feuerwerk gedacht, unbedacht hingegen scheinen die Entscheidungen mancher Fakultäten: Auf der Lektüreliste einer Lehrveranstaltungsreihe über "Postkolonialismus" waren so gut wie keine Schreibenden vertreten, die einer ethnischen Minderheit angehören. Als das Studierende anmerkten, reagierte der britische Boulevard mit der Schlagzeile "Studentin zwingt Cambridge, weiße Autoren zu verbieten". Das Versäumnis, den Lehrplan zu "de-kolonialisieren", ist aber gerade in britischen Universitäten problematisch und zeugt von einem "vergesslichen" Geschichtsbewusstsein. Auf was hier auch manchmal vergessen wird, ist, dass das Leben nicht nur aus Studieren besteht. In einem Mail eines Professors an seine Studierenden mahnte dieser ein, dass das Studium hier in Cambridge harte Arbeit sei und keine Zeit für Partys ließe. Statt die Chance zu nutzen, einen Diskurs über Eigenverantwortlichkeit zu starten, propagierte das Mail eine ebenso ungesunde Lebensweise. Selbstständigkeit ist einmal mehr eine Kernkompetenz, die in Cambridge nicht vermittelt wird. Hier putzt man für einen fünfmal die Woche. Wenn eine Glühbirne ausbrennt, darf man sie nicht selbst auswechseln, sondern muss den Hausmeister rufen. Zwar wird im Gegensatz zu Österreich ein gemeinschaftliches Leben durch ein stärkeres Zugehörigkeitsgefühl zum College erreicht. Aber das nimmt einem nicht die notwendige Eigeninitiative ab, die das Zusammenwohnen und Interagieren mit anderen mit sich zieht. Das Studentenleben in Wien ist da um einiges selbstständiger.

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