Was braucht der Wissenschaftsstandort Österreich für die Zukunft?
vom 06.12.2017
In der Wissenschaftspolitik ist die Ära der ideologischen Debatten vorbei und Pragmatismus angezeigt. Was es zu tun gibt, wird von globalen Trends diktiert. Ob man es auch tut, steht allerdings auf einem anderen Blatt, dem Blatt des Wollens.
Als Standort einer entwickelten Wissensgesellschaft lebt Österreich seit Jahren mit einem Paradox: Einem der Länder, in denen die Ausgaben für Forschung und Entwicklung am meisten steigen (3.14 Prozent des BIP 2017 -im Jahr 2007 waren es 2.43 Prozent), gelingt es weniger gut als den europäischen Spitzenreitern, seine Investitionen in quantitativ messbare Leistungen umzusetzen. Gemäß der Studie "Österreich 2025" erreichen wir bei den Hochschulausgaben nur 85 Prozent der innovationsführenden Länder, und bei der Finanzierung der Universitäten durch Wettbewerbe nur 40 Prozent. Warum? Die Antwort liegt in der Spannung zwischen den zwei gerade eingeführten Begriffen: Wir sprechen hier nicht von wissenschaftlicher Leistung generell, sondern von quantitativ messbarer Leistung. Und wir sprechen nicht von allgemeiner Finanzierung, sondern von Finanzierung durch Wettbewerb. Das österreichische Defizit betrifft also nicht den Algorithmus österreichischer Forschung und Wissenschaft, sondern den Verteilschlüssel, der diesen Algorithmus operationalisiert. Der Grund für die Kluft zwischen hohen Ausgaben und bescheidenen Rankings liegt also in der Unterentwicklung des Wettbewerbs im österreichischen Wissenschaftssystem.
Dadurch bahnt sich aber eine kulturelle Entwicklung an: Ein für die österreichische (und übrigens generell für die deutschsprachige) Wissenschaft konstitutives Merkmal, jenes der Privilegierung der Kooptation, beugt sich dem ursprünglich für den angelsächsischen Kulturkreis spezifischen Wettbewerb um Forschungszuwendungen. Die Forschung am Lehrstuhl oder am Institut wird durch eine kompetitive Mittelvergabe ersetzt.
Ausschlaggebend für rankingrelevante Resultate ist nicht mehr die bei der Berufung ausgehandelte Ausstattung, sondern der nachweisbare Erfolg in der Einwerbung von Drittmitteln. Besonders bemerkbar macht sich dabei die chronische Unterfinanzierung der Grundlagenforschung, namentlich des FWF, gegenüber dem namhaften Engagement der öffentlichen Hand im Bereich der wirtschaftlich verwertbaren Innovation (FFG). Letztere ist genauso wichtig, kann jedoch in einem hochentwickelten Wissenschaftssystem nur auf Exzellenz in den basic sciences beruhen. Deshalb weist auch ein Exzellenzprogramm, das sowohl die anwendungsorientierte Grundlagenforschung als auch den kulturellen Wandel vom paritätischen Lehrstuhl zur drittmittelstarken Professur berücksichtigt, das beste Potenzial auf, um der bestehenden wissenschaftlichen Qualität österreichischer Forschung auch die ihr zustehende Sichtbarkeit zu verleihen.
Antonio Loprieno ist Vorsitzender des Österreichischen Wissenschaftsrates