: WISSENSCHAFTLICHE BÜCHER AUS ÖSTERREICH

Empfehlungen von Erich Klein
vom 06.12.2017

"Kindsköpfige Illusion", so nannte Karl Renner die Oktoberrevolution

Im Februar 1917 endet in Russland die Zarenmacht. Im "Großen Oktober" ergreifen die Bolschewiki die Macht. In Wien warnt Außenminister Czernin seinen Kaiser ob der "verblüffenden Leichtigkeit", mit der "die stärkste Monarchie der Welt" fiel. Links herrscht Ambivalenz: Karl Renner befürchtet "kindsköpfige Illusion, Putsch und Radau", Otto Bauer und die Arbeiterzeitung hoffen: "Vermag es der Sozialismus, der gequälten Welt den Frieden zu bringen, dann fliegen ihm Millionen befreiter Seelen zu; der Triumph des Friedens wird dann der Triumph des Sozialismus sein!"

Verena Moritz, 1917. Österreichische Stimmen zur Russischen Revolution, Residenz Verlag 2017,288 S.

Das Habsburgerreich ging an seinen Eliten zugrunde

"Wecken Sie mich morgen um vier Uhr, ich habe viel zu tun", waren die letzten Worte des vorletzten Kaisers, Franz Joseph I, am 21. November 1916. Die rasch durchlaufene Vorgeschichte eines halben Jahrtausends führt zur Ermordung des Thronfolgers in Sarajevo und zur Frage: Welche Möglichkeit blieben Österreich-Ungarn danach? Der Wiener Historiker verschränkt Alltags- und Herrschaftsgeschichte, Diplomatie und Verlauf des Ersten Weltkriegs samt Nachwirkungen. Fazit: "Das Habsburgerreich ging vor allem auch an seinen eigenen Eliten zugrunde."

Hannes Leidinger, Der Untergang der Habsburgermonarchie, Haymon Verlag 2017,440 S.

Der Umbau von der Monarchie zur Republik Deutschösterreich

Am 12. November 1918 titeln die Zeitungen des Kaisers Worte: "Ich verzichte auf jeden Anteil an den Staatsgeschäften." Am selben Tag wird "Deutschösterreich" ausgerufen. Die Bewältigung von Hunger und Krankheit sind ebenso monumentale Aufgaben wie eine Verfassung, Name und Grenzen des Landes neu festzulegen und den Bundesstaat zu definieren. Ein übersichtliches und dichtes Panorama der Anfangsmühen von Österreich I - vom "Wasserkopf Wien" über Spekulanten bis zu Antisemiten und der neuen Rolle der Frauen.

Andreas Weigl, Alfred Pfoser, Die erste Stunde Null. Gründungsjahre der österreichischen Republik 1918-1922 Residenz Verlag 2017,360 S.

Der Absturz der Ersten Republik und seine Gründe

Der Absturz der Ersten Republik sei aus deren "politischer Kultur" zu erklären, aus Spannungen zwischen "antibolschewistischem Bollwerk" rechts und "Träumen von der Weltrevolution" links. Paradigmatisch: "Rotes Wien" und Salzburger Festspiele. Es entsteht Wissenschaft von Weltgeltung, der einzige Kulturmensch mit Realitätssinn ist Karl Kraus. Ob selbst Musil der "Welt der Grafen und der k.u.k.-Sektionschefs verhaftet" blieb, sei dahingestellt. Erst in der Zweiten Republik werden Widersprüche zwischen Sehnsüchten und politischer Realität aufgehoben.

Anton Pelinka, Die gescheiterte Republik. Kultur und Politik in Österreich 1918-1938 Böhlau Verlag 2017,319 S.

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