Akademischer Arbeitskampf auf der Insel
In Großbritannien kämpft die Gewerkschaft der Uni-Lehrenden gegen drohende Pensionskürzungen. Es neuerlicher Streik ist möglich - in der Prüfungszeit. Viele der Studierenden fürchten nun um ihren Abschluss
vom 28.03.2018
Die britischen Universitäten sind in Aufruhr. In den vergangenen vier Wochen erlebte das Vereinigte Königreich den größten flächendeckenden Unistreik in der Geschichte des Landes. 64 Universitäten, darunter auch Oxford und Cambridge (siehe Seite 6), wurden vom 19. Februar bis zum 16. März bestreikt. Nach einem Aufruf der "University and College Union"(UCU) ließen hunderte Professoren und Lektoren Vorlesungen und Sprechstunden ausfallen, um gegen geplante Pensionskürzungen zu protestieren.
Die Vereinigung der britischen Unis "Universities UK" hatte eine Pensionsreform angekündigt, die Universitätsangestellte jährlich bis zu 10.000 Pfund ihres Einkommens im Ruhestand kosten könnte. Laut der Gewerkschaft würde das neue Pensionssystem junge Dozenten am stärksten benachteiligen: ihre Pensionen würden fast halbiert. Die Gesamtpension eines durchschnittlichen Uniangestellten würde sich um knapp 200.000 Pfund verringern, so die Gewerkschaft.
"Universities UK" verteidigt die angekündigten Kürzungen und argumentiert mit einem angeblich milliardenhohen Defizit in den Pensionskassen, wohingegen die Gewerkschaft behauptet, die britischen Universitäten würden jährlich derart hohe Gewinne erwirtschaften, dass das derzeitige Pensionssystem mühelos aufrechterhalten werden könnte. In der vierten Woche des Streiks konnten sich die beiden Parteien auf eine Übergangslösung einigen, die jedoch von den Mitgliedern der Gewerkschaft mehrheitlich abgelehnt wurde.
"Universities UK" hatte angeboten, die geplante Reform für drei Jahre auf Eis zu legen und von einem unabhängigen Gremium überprüfen zu lassen. Im Gegenzug forderten die Universitäten von den Dozentinnen und Dozenten höhere Beitragszahlungen. Besonders viel Ärger unter den Streikenden hat eine Klausel in der Vereinbarung hervorgerufen, welche die Lehrenden zur Einholung versäumter Unterrichtseinheiten verpflichtet hätte. Nach der Ablehnung des Deals droht die Gewerkschaft nun mit weiteren Maßnahmen: während der Prüfungszeit im Mai könnte ein zweiter Streik ausgerufen werden.
Die Verlierer im Streit zwischen Uni und Lehrenden: die Studierenden
Eine derartige Eskalation des Konflikts würde die ohnehin bereits verunsicherten und verärgerten Studierenden besonders hart treffen. Streiks in der Prüfungszeit würden die Studienplanung stark beeinträchtigen. Jährliche Studiengebühren von 9.250 Pfund (rund 10.500 Euro) wie in England machen den Disput zwischen Universitäten und Lehrenden zu einem finanziellen Fiasko für die Studenten. Diese fordern nun Kompensationszahlungen für den versäumten Unterricht. 80.000 Studierende an dreißig Universitäten haben bereits Petitionen unterzeichnet, in denen die jeweiligen Unis zu Rückzahlungen aufgefordert werden.
Auch abgesehen von den finanziellen Verlusten sind die Studierenden die großen Verlierer in diesem Konflikt. Obwohl sich der Großteil der Betroffenen auf die Seite der Streikenden stellt, sind besonders jene, die heuer ihren Abschluss machen sollten, unter Druck. Eilidh Maclachlan, Studentin der Translationswissenschaft im vierten und letzten Studienjahr an der Heriot-Watt-Universität in Edinburgh, ist auch in der Uni-Politik aktiv und erzählt: "Der Streik hat viel Ärger unter den Studierenden ausgelöst. Wir waren wochenlang völlig auf uns allein gestellt: keine Struktur, kein Unterricht und keinerlei Unterstützung bei den Abschlussarbeiten. Ich hoffe inständig, dass die Pensionsreform verworfen wird und kein zweiter Streik stattfindet." Sollte sich der Streik in der Prüfungszeit wiederholen, wären tausende Abschlüsse gefährdet. Studierende könnten dann Jobangebote, die meist an einen erfolgreichen Studienabschluss geknüpft sind, nicht annehmen und erst mit Verspätung in die Arbeitswelt einsteigen.