Spitzt die Ohren!

Spitzenforscher Josef Penninger schildert seine Beweggründe für seinen Umzug nach Kanada

Interview: Dieter Hönig
vom 25.04.2018

Josef Penninger ist Direktor des Instituts für Molekulare Biotechnologie (IMBA) in Wien. Ab Dezember 2018 übernimmt er die Leitung des Life Sciences Institute (LSI) der University of British Columbia im kanadischen Vancouver.

Herr Penninger, Sie verlassen mit Dezember das IMBA, dessen Gründer Sie waren ...

Josef Penninger: Ich habe es 16 Jahre geleitet und von einem Angestellten, nämlich mir selber, zum größten Institut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften aufgebaut. Daran waren viele Menschen beteiligt, bei denen ich mich von ganzem Herzen bedanken möchte: Georg Wick, Peter Schuster oder Werner Welzig, die immer die Hände über mich gehalten haben. Ich hatte das Glück, mit einem fantastischen Team arbeiten zu dürfen. Das Wichtigste ist aber, dass am IMBA Weltklasseforschung gemacht wird und alle jungen Gruppenleiter erfolgreich wurden. Wir haben inzwischen 200 Bewerber für eine Forscherstelle.

Warum gehen Sie weg?

Penninger: Es gibt einfach zu viele interessante Dinge zu erforschen. Dafür muss man sich einen chaotischen Geist und spitzbübische Neugier bewahren. Karriere war mir immer völlig egal. Ich wollte kein paranoider, zynischer Professor werden, der ständig ängstlich über die Schulter schaut. Das IMBA braucht auch frisches Blut und frische Ideen anderer, um nicht im Mittelmaß zu versteinern. Ich mag zwar einiges falsch gemacht haben, aber ich habe immer im Sinne der Wissenschaft und des Instituts agiert. Außerdem wollte ich ja immer schon am Meer leben.

Die Stammzellenforschung ist Ihnen ein großes Anliegen. Wo steht das IMBA hier im internationalen Vergleich?

Penninger: Stammzellenforschung ist eine der wichtigsten Richtungen in den Lebenswissenschaften geworden. Jürgen Knoblich, den ich ungemein schätze, hat die ersten menschlichen Hirnorganoide entwickelt und damit eine Revolution in der Hirnforschung eingeleitet. Ulrich Elling hat die ersten haploiden Säugetierstammzellen der Welt gezogen und damit ein Paradigma der Biologie gebrochen. Um diese Entdeckungen herum wollten Jürgen und ich ein internationales Zentrum aufbauen, in dem tolle junge Wissenschafter forschen können und das Österreich und eventuell später Zentraleuropa ein Service zur Verfügung stellt, um etwa standardisierte, induzierte Stammzellen (iPS-Zellen) von Patienten herzustellen.

Dazu brauchte es enorm viel Geld. Damals kolportierte man, sollten Sie diese Mittel nicht bekommen, wären Sie dahin, nach Berlin...

Penninger: Richtig, dieses Geld war meine Bedingung damals, in Österreich zu bleiben und die einzige Chance, etwas Neues zu beginnen. Ich denke, wir haben das Geld bereits sehr gut angelegt, um tolle Forscher nach Wien zu holen und andere Gruppen in Österreich auszubauen. Wegen meines kolportierten Wechsels nach Berlin haben mich manche kritisiert. Aber ich würde es wieder tun, nur mit dem Unterschied, dass ich diesmal um viel mehr Geld verhandeln würde, damit dieses zukunftsweisende Zentrum unter Jürgen Knoblichs Leitung auch langfristig finanziell gesichert ist. Entweder machen wir es gescheit, damit wir auch zu wegweisenden Ergebnissen für die moderne Medizin kommen, oder wir lassen es.

Es gibt hier bei uns in punkto Genetik und Stammzellenforschung noch immer ethische Bedenken. Halten Sie diese für berechtigt?

Penninger: Durch die Entwicklung von iPS-Zellen durch Shinya Yamanaka ist diese Diskussion redundant geworden. Ich muss aber betonen, dass wir in der Wissenschaft noch embryonale Stammzellen brauchen, da iPS-Zellen vieles können, aber keine embryonalen Stammzellen sind. Vor einigen Jahren habe ich als Young Global Leader des WEF in Davos ein Meeting über Ethik und Stammzellen geleitet. Man kann viele ethische Aspekte diskutieren: Ist etwa ein zweizelliger Embryo bereits ein beseelter Mensch? Der Großmufti von Bosnien sagte: "Wenn es einen allwissenden Gott gibt, dann muss er auch gewusst haben, dass wir eines Tages mit Stammzellen arbeiten." Natürlich müssen wir diskutieren, was diese Forschung für uns als Gesellschaft und Individuen bedeutet und wo man Schranken ziehen sollte (oder auch nicht), etwa bei durch CRISPR genetisch veränderten Embryonen.

Die Entwicklung der Organoide ist wissenschaftliches Neuland. Inwieweit sollte man hier die Öffentlichkeit einbinden?

Penninger: In den letzten Jahren sind einige Revolutionen in der biologischen Forschung passiert: Wir können jetzt die Genome von Lebewesen sehr schnell lesen und dadurch genetische Änderungen bei Krebs finden oder auch bei seltenen Erkrankungen. Wir haben gelernt, nicht nur Gene zu lesen, sondern diese auch aktiv zu verändern, etwa durch CRISPR-Genscheren. Wir haben gelernt, Zellen in ihrer biologischen Zeit zurückzuprogrammieren, also etwa aus fertigen Blutzellen induzierte Stammzellen (iPS-Zellen) zu generieren. Wir haben also in der Biologie die Richtung der Zeit umgedreht. Und wir haben gelernt, aus diesen Stammzellen Organoide zu ziehen, die menschlichen Organen ähnlich sind. Man kann also etwa Hirnorganoide, wie zuerst von Knoblich gemacht, von Patienten mit Gehirntumoren züchten, mit Autismus oder Epilepsie, um diese Erkrankungen fundamental besser zu verstehen oder auch neue Therapien zu testen. Man kann Leber-,Magen-, Darm-, Pankreas-oder Lungen-Organoide in Zellkultur machen. Wir versuchen gerade, die perfekten menschlichen Blutgefäße zu ziehen und sind schon nahe dran. Dass wir diese neuen Technologien transparent kommunizieren und diese auch kritisch mit der Öffentlichkeit diskutieren, ist aus meiner Sicht selbstverständlich.

Was erwarten Sie von der Politik?

Penninger: Man sollte endlich Forschung und Bildung nicht nur in Regierungserklärungen schreiben, sondern diese Erklärungen auch umsetzen. Österreich ist das Land der Podiumsdiskussionen, wo alle alles besser wissen. Die Aufgabe der Politik muss sein, vernünftige Rahmenbedingungen zu schaffen. Inhaltlich soll sie sich raushalten. Dass etwa Uni-Räte politisch besetzt werden, ist eigentlich ein Wahnsinn. Kanada gibt ein Beispiel, was man tun könnte, wenn man nur will. Es sollte uns klar sein, dass die Zukunft Österreichs zwischen den Ohren seiner Menschen sitzt, und dass man dieses Potenzial fördern sollte.

Was braucht Top-Forschung heute?

Penninger: Wenn Österreich wirklich in der Top-Liga mitspielen will, braucht es viel mehr Geld und Strukturen, die es Forschern erlauben, wirklich innovative Projekte zu betreiben. Die Idee, dass man heute alleinirgendwo eine tolle Idee hat und damit die Welt verändert, ist längst vorbei. Eine Max-Plank-ähnliche Gesellschaft wäre zum Beispiel für Österreich toll, integriert in die Universitäten, damit alle etwas davon haben. Aber irgendwie wird es immer verhindert.

Ausländische Wissenschafter beklagen immer wieder bürokratische Hürden, etwa beim Nachzug ihrer Familien

Penninger: Ja, leider. Es gibt ein Gesetz, wonach Familienangehörige einen Deutschtest innerhalb von zwei Jahren positiv ablegen müssen, sonst dürfen sie nicht bleiben. Dass man Deutsch lernt, ist ja in Ordnung. Es aber mit einem Damoklesschwert zu belegen, macht keinen Sinn, wenn wir Top-Wissenschafter nach Österreich holen wollen.

Haben Sie auch Wünsche an die Medien?

Penninger: Ich habe immer viel Medienarbeit gemacht, da mir wichtig ist, dass von Steuergeld finanzierte Wissenschaft auch breit kommuniziert wird und endlich aus der "akademischen Dunkelkammer" herauskommt. Wenn man dies tut, dann muss man aber auch wissen, was passiert: Man verbrennt sich und wird angreifbar. Tagesmedien sind wie eine Kanonenkugel, die heiß daherfliegt, bis sie von der nächsten Kugel abgelöst wird. Mich ärgert, dass Wissenschaftsstorys nicht wie etwa in Kanada und vielen anderen Ländern Headline News sind.

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