Was am Ende bleibt

Denkmäler

Erich Klein
vom 31.10.2018

"Heimkehr nach Fukushima" ist der Titel des neuen Romans von Adolf Muschg. In Anbetracht des Alters des Schweizer Autors handelt es sich um eine Art Vermächtnis des Vierundachtzigjährigen.

Dass es der vielfach preisgekrönte Schriftsteller mit diesem Titel allein auf Provokation abgesehen hat, ist zu bezweifeln. Viel eher dürfte es um eine Prüfung sämtlicher Lebens-und Selbstverhältnisse gehen: Adolf Muschg, aus privaten und beruflichen Gründen seit einem halben Jahrhundert mit Japan eng verbunden, bezeichnete dieses als sein "Heimwehland".

Warum also, fragt sich, sollte der Schweizer partout nach Fukushima "heimkehren"? Vordergründig wird eine verzwickte Amour fou erzählt. Ebenso großes Augenmerk des Autors gilt aber dem atomverseuchten Landstrich nach der Reaktorkatastrophe.

Millionen Tonnen verstrahltes, in schwarze Plastiksäcke verpacktes Erdreich türmen sich zu neuen "Dörfern", die Natur ist in das geräumte Territorium zurückgekehrt. Wildschweinrudel tummeln sich in einer zum Zeitpunkt des Tsunami fluchtartig verlassenen Bibliothek. Hart an der Grenze zur absoluten Verbotszone tauchen bisweilen einige Versprengte auf, die daran erinnern, dass hier tatsächlich Menschen lebten.

Jeder Katastrophenfilm inszeniert diesen Moment: Ein Schwenk von menschengemachter Apokalypse zu gleichsam formloser, roher Natur samt zurückgebliebenen Artefakten. Adolf Muschg lässt seinen Protagonisten an dieser Stelle zu den Schriften des düsteren Biedermeierautors Adalbert Stifter greifen: "So bin ich unversehens ein Landschaftsmaler geworden. Es ist entsetzlich."

Sarkastisch fügt er hinzu: "Stifter schützt vor Strahlen." Doch räsoniert der Erzähler über Stifters Bild einer "heiteren Blumenkette, die durch die Unendlichkeit des Alls hängt und ihren Schimmer in die Herzen sendet".

Sollte dieses einst allein aus Gottvertrauen geschaffene Bild des Universums endgültig zerrissen sein, Lücken sich gebildet haben, "in denen nur noch die Blume des Todes gedeiht"? Adolf Muschg beantwortet die Frage nur indirekt, indem er eine Utopie des "sanften Unmenschen", wie Stifter einmal bezeichnet wurde, zitiert. Was am Ende bleibt? "Ich fühlt' nur eine Freiheit, Fröhlichkeit und Größe in meinem Herzen wie in einem hell erleuchteten Weltall."

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