Wissenschaftliche Bücher aus Österreich

Empfehlungen von Erich Klein

vom 31.10.2018

Der Aufstieg der Rothschilds aus dem jüdischen Getto Frankfurts zum größten Bankhaus der Habsburgermonarchie hatte eine Besonderheit jenseits aller Wirtschaftsgeschichte: "Sie haben einen Mythos. Sie waren ein Welthaus." In der Zwischenkriegszeit erfolgte der Niedergang der österreichischen Linie, die Nazis raubten den Rest, die Zweite Republik beseitigte Spuren. Zur umfassend erzählten Historie gehören überdies: Rotschild und Wittgenstein, komplizierte Verhältnisse zu Sozialdemokratie und Zionismus, die Gründung der "Vienna" und Österreichs letzter Urwald.

Roman Sandgruber: Rotschild. Glanz und Untergang des Wiener Welthauses, Molden, Wien 2018,528 S.

Die Geschwister reden ihn mit "Mein Herzenslukas" oder "Sr. Hochwohlgeboren Herrn k.u. k. Fähnrich" an, Ludwig Wittgenstein seinerseits empfiehlt Hölderlin. Als "Prigioniere di guerra" bestellt er Freges "Grundlagen", dem Bruder dankt er für ein Paket, das er gerne "auffresse". Die Wittgensteins hadern über einstigen Reichtum, Ludwig räsoniert über das Wort "Scheißhäusl". Anrührend ein Brief des todkranken Philosophen aus 1951 an die Schwester: "Ich habe in der letzten Zeit oft an dich gedacht, mit dem Wunsche, ich könnte wieder einmal mit Dir blödeln."

Brian McGuinness, Radmila Schweitzer: Wittgenstein. Eine Familie in Briefen, Haymon Verlag, Innsbruck 2018,384 S.

Karl Kraus war über die "Verwandlung des Kriegspressequartiers in eine Rote Garde" im Jahr 1918 überrascht. Der revolutionäre Eifer der austriakischen Intelligenzija, die soeben noch Kakaniens Kriegsherrn gedient hatte, hielt sich allerdings in Grenzen. E. E. Kisch, hysterischer Umstürzler jener Novembertage, wurde wieder rasender Reporter, Robert Musil stoppte die Weltgeschichte 1913 im "Mann ohne Eigenschaften", der Rest überdauerte als Habsburgermythos. Eine Darstellung der Gründe, warum Österreichs Literatur nie revolutionär wurde.

N. C. Wolf: Revolution in Wien. Die literarische Intelligenz im politischen Umbruch 1918/19, Böhlau, Wien 2018,364 S.

Kaum war vor einem Vierteljahrhundert deren Ende verkündet, drohte die Gegenwart in Beschwörung von Geschichte zu ersaufen. Es war mehr als ein Sturm im Wasserglas, den der Wiener Philosoph mit essayistischen Volten gegen das ewige "Nie wieder!" in Sachen Nationalsozialismus auslöste. Warum gerade daraus gelernt werden sollte, fragte er aufreizend und lieferte eine akademische Antwort mit: "Geschichte" lehrt in Wahrheit nichts, sie ist nur "lautverzerrender Echoraum gegenwärtiger Ideologien, Hoffnungen und Ängsten." Ein Kabinettstück, neuaufgelegt.

Rudolf Burger: Wozu Geschichte? Molden, Wien 2018 160 S.

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