Das Wesen der Zahlen verstehen
Christoph Aistleitner ergründet offene Fragen der Zahlentheorie
vom 27.03.2019
"Für mich ist Mathematik eher eine künstlerische Tätigkeit als eine technische", sagt Christoph Aistleitner. "Mein Lehrmeister an der Universität nannte sie immer die Wissenschaft vom Denken, nicht vom Rechnen." Der 37-Jährige ist Associate Professor am Institut für Analysis und Zahlentheorie der TU Graz. Seine Forscherkarriere scheint ihn selbst ein wenig zu erstaunen. "Im Gymnasium hat mich Mathematik nicht besonders interessiert." Die Studienwahl habe ein Freund beeinflusst. Gebannt war er erst, als er entdeckte, "dass es hier nicht um das Bestimmen irgendeines Ergebnisses geht, sondern darum, eine Struktur und deren Zusammenhänge zu verstehen".
2015 baute er mit einem Start-Preis des FWF eine Forschungsgruppe für sein auf sechs Jahre ausgelegtes Projekt "Probabilistische Methoden in Analysis und Zahlentheorie" auf. Ein Teil davon befasst sich mit Primzahlen. Diese Zahlen, die sich nicht ohne Rest durch andere teilen lassen und die man als Bausteine für alle anderen Zahlen betrachten kann, haben Mathematiker von jeher fasziniert. Aistleitner interessiert, ob ihre Verteilung zufällig ist oder versteckte Muster aufweist. Sein Ansatz kombiniert die Zahlen-mit der Wahrscheinlichkeitstheorie.
Die Riemannsche Zeta-Funktion, die alle grundlegenden Informationen über die Verteilung der Primzahlen enthält, wird seit 150 Jahren intensiv untersucht. Trotzdem hat sie erst einen kleinen Teil ihrer Geheimnisse preisgegeben. Die Frage, an welchen Stellen sie den Wert null annimmt, gilt als das schwierigste und wichtigste Rätsel der Mathematik, für dessen Lösung das amerikanische Clay Mathematics Institute mit einer Million Dollar winkt. Zwar hat Aistleitner das Geheimnis um die Nullstellen nicht gelüftet, doch er konnte zeigen, wo sie nicht sind. Er fand heraus, wie oft die Funktion ungewöhnlich große Werte annimmt. Nebenbei verblüffte er die Fachwelt: Seine Methodik galt zuvor als undurchführbar.