Schulritual
vom 27.03.2019
"Vom Vögeln könnt ihr reden, wann ihr wollt, jetzt haben wir Religion", lauteten die legendären Worte eines Kaplans an einer Vorarlberger Hauptschule. Damals gab es keinen Ethikunterricht, zu dem man sich anmelden konnte. Es herrschte das Wort Gottes an den Schulen, oder zumindest das, was er durch den Mund seines klerikalen Personals an seine Schäfchen weitergab.
In einem Jahr soll nun nicht mehr nur Religion, sondern auch Ethik an den Schulen unterrichtet werden. Zunächst nur an der Oberstufe. Der Jugend an den Pflichtschulen möchte man offenbar ethisches Verhalten noch nicht zumuten. Ist Ethik für die Österreicherinnen und Österreicher wie Sex, der ja auch erst ab dann unterrichtet wird, wenn es eigentlich schon zu spät ist?
Ich darf hier anmerken, dass theoretisches Wissen über Ethik in etwa so wertvoll ist wie jenes über Sex: Ohne Übung ist es wertlos. Diskussionen über ethisches Verhalten sind gut, brauchen aber eine gemeinsame Einübung. Man nennt dies auch Ritual. Es erzeugt ein Gefühl der Gemeinsamkeit, das jede soziale Stellung für den Moment vergessen lässt -und auch das Smartphone und die Sneakers. Der Ethikunterricht muss also praktische Rituale hervorbringen, wenn er wirklich Sinn machen soll.