GASTKOMMENTAR

Umfassendes Wissen für den Schutz der Meere

Alice Vadrot
vom 19.06.2019

Anfang Mai dieses Jahres hat der Weltbiodiversitätsrat darauf aufmerksam gemacht, dass eine Million Arten an Lebewesen vom Aussterben bedroht sind. Darin inbegriffen ist die marine Biodiversität. Sie wird durch die Folgen des Klimawandels, die Verschmutzung und Versauerung der Ozeane und durch Überfischung bedroht. Ihren Schutz erschweren Lücken im internationalen Seerecht - und der Wissenschaft selbst.

Über viele marine Ökosysteme, besonders in der Tiefsee, haben wir keine ausreichenden Daten zur Verfügung. Die Forschung in der Hochund Tiefsee ist kostspielig und wird nur von einer überschaubaren Anzahl an Staaten betrieben und finanziert. Unternehmen, die in internationalen Gewässern forschen, sind nicht verpflichtet, ihre Daten oder daraus entstehende Gewinne zu teilen, etwa aus der Patentierung mariner genetischer Ressourcen.

Der Kern des Problems ist, dass zwei Prinzipen aufeinanderstoßen: Das gemeinsame Erbe der Menschheit und die Freiheit der Meere. Es kann einerseits argumentiert werden, dass Daten, die in internationalen Gewässern erhoben und kommerziell genutzt werden, der Allgemeinheit zugutekommen müssen.

Dem widerspricht jedoch das Prinzip der Freiheit der Meere, das den Zugang zur Hochsee als Forschungsobjekt nicht reguliert.

Das Wissen über marine Biodiversität ist essenziell. Es wird benötigt, um zu bestimmen, wo Meeresschutzgebiete etabliert werden müssten und wie diese beobachtet werden können. Auch die Abschätzung und die Bewertung der Folgen ökonomischer Aktivitäten wie etwa die Ölund Gasförderung sowie der Tiefseebergbau hängen maßgeblich von der Aussagekraft wissenschaftlicher Daten ab.

Seit September 2018 verhandelt die internationale Staatengemeinschaft ein neues, rechtlich bindendes Abkommen zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der marinen Biodiversität in der Hochsee. Es birgt die Chance, dass bestimmte Gebiete unter Schutz gestellt werden, erfordert aber auch, dass große Player wie die USA, Russland oder die EU auf Forderungen von Entwicklungsländern nach einer gerechteren Gestaltung der Erforschung und Nutzung der marinen Biodiversität in internationalen Gewässern eingehen. Die Verhandlungen sowie die Rolle der Wissenschaft in diesem Prozess beforscht das Projekt MARIPOLDA-TA (www.maripoldata.eu). Ziel ist, die Zusammenhänge zwischen der Positionierung von Staaten in den Verhandlungen und der ungleichen Verteilung der Forschungskapazitäten zu verstehen und die Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik zu stärken.

Alice Vadrot, Universität Wien, leitet das Forschungsprojekt MARIPOLDATA

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