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BUCHEMPFEHLUNGEN ZUM THEMA VON EMILY WALTON
Die 2013 veröffentlichte PIAAC- Studie (Programme for the International Assessment of Adult Competencies, ein internationaler OECD-Vergleich), ergab, dass rund 17 Prozent der 16-bis 65-Jährigen in Österreich, das sind etwa 900.000 Menschen, über eine nur geringe Lesekompetenz verfügen. Sie können zwar einzelne Wörter und kurze Sätze, jedoch längere Texte kaum sinnerfassend lesen.
Analphabetismus stigmatisiert die Betroffenen
In allen drei PIAAC-Testdomänen (Lesen, Alltagsmathematik und Problemlösen im Kontext neuer Technologien) sind rund 640.000 Menschen kaum kompetent. Sie werden vielfach noch als "funktionale Analphabeten" bezeichnet.
Mittlerweile weiß man allerdings, dass der Begriff "Analphabetismus" problematisch ist -er stigmatisiert und die Betroffenen leiden darunter. Passender ist der Ausdruck "bildungsbenachteiligte Erwachsene mit Basisbildungsbedarf"."Durch den Begriff "Analphabetismus" wurden die Menschen nur durch dieses Merkmal gekennzeichnet. Das ist falsch, denn alle Betroffenen können zumindest kurze Texte lesen und ein hoher Anteil ist berufstätig und gut in die Gesellschaft eingebunden", sagt Monika Kastner vom Institut für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.
Bei einem Pilotprojekt hat sie gemeinsam mit Betroffenen, d.h. mit (ehemaligen) Teilnehmern, mit Kursleitern und Berater in der Basisbildung ein partizipativ angelegtes Forschungsprojekt umgesetzt. Hierzu wurden Forschungsfragen gemeinsam entwickelt, Forschungsmethoden geübt und angewendet und die Daten in der Gruppe ausgewertet. Das Thema war das Lernen in der Basisbildung und in der Lebenswelt aller Forschungspartner. "Das Projekt war das erste partizipativ angelegte Forschungsprojekt mit Teilnehmenden in der Basisbildung in Österreich", erklärt Kastner. "Die Umsetzung hat gut funktioniert. Es entstand ein spannender Dialog in einem sicheren Raum. Jede und jeder konnte etwas beitragen, gemeinsam wurde auch viel gelernt. Die Ergebnisse zeigten letztendlich, dass Lernen in der jeweiligen Lebenswelt verankert ist." Lernen lässt sich besser verstehen, wenn die subjektiven Perspektiven auf das eigene Lernen Berücksichtigung finden. Dadurch werden Lernende auch besser verstanden und lernen, über ihr eigenes Lernen nachzudenken.
Fehlende Basisbildung ist ein gesellschaftliches Problem
"Fehlende Basisbildung ist ein gesellschaftliches Problem und besagt nicht, dass Menschen zu dumm sind. Die meisten sind tatsächlich kompetente Menschen, die sich beeindruckende Strategien zurechtgelegt haben, um in Alltag und Berufsleben gut zurechtzukommen. Natürlich gibt es auch kognitiv eingeschränkte und sozial auffällige Menschen. Doch die gibt es in der Wissenschaft auch", lacht Kastner.
Die Schulbildung der Betroffenen ist sehr unterschiedlich. Die meisten verfügen über einen Hauptschulabschluss, ein recht hoher Anteil über einen Lehrabschluss. Österreich hat ein gut ausgebautes Bildungssystem, trotzdem ist das Ergebnis der Schulbildung im OECD-Vergleich nicht zufriedenstellend. "In Österreich gibt man sich damit zufrieden, dass es Kinder mit bildungsaffinen und mit bildungsfernen Elternhäusern gibt. Die Schulbildung kann dies nicht ausgleichen. In Finnland beispielsweise (siehe auch Beitrag auf Seite 18) werden die schönsten Schulen in arme Gegenden gebaut. Lehrpersonen fühlen sich für den Bildungserfolg und gute Leistungen aller Kinder verantwortlich, wodurch auch sozial benachteiligte Kinder Zugang zu einer sehr guten Bildung bekommen."
Erwachsene mit Basisbildungsbedarf haben eine Geschichte und Gründe, warum die Basisbildung fehlt. Entscheiden sich Betroffene dafür, einen Kurs zu beginnen, müssen sie sich früheren (Lern-)Problemen stellen und die oft schwierige Geschichte aufarbeiten.
Mittlerweile stehen auch ihnen Fördermöglichkeiten und erwachsenengerechte Kursangebote zur Verfügung, die von engagierten Lehrenden geleitet werden.