WISSENSCHAFTLICHE BÜCHER AUS ÖSTERREICH

EMPFEHLUNGEN VON ERICH KLEIN

vom 19.06.2019

Die Globalisierung verwischt die Unterschiede zwischen Zentrum und Rand

Der Ökonom aus Triest beginnt seinen Essay über einen schillernden Begriff mit dem Dichter Biagio Marin aus Grado (einst Grenze zwischen Kakanien und Italien), der sich als "Randexistenz" verstand. In der Gegend fiel auch der Eiserne Vorhang. Kulturgeschichtliche Grenzen werden bei Velazquez verortet, jene zur Modernität und Armut bei H. Melvilles Bartleby. Eine Grenze zum Schweigen wird gezogen, die zur Freiheit vermessen; Grenze ist in Informatik und Ökonomie von Bedeutung. Und: "Die Globalisierung verwischt die Unterschiede zwischen Zentrum und Rand."

Francesco Magris, Die Grenze. Von der Durchlässigkeit eines trennenden Begriffs Zsolnay Verlag 2019,128 S.

69 Stück Vieh haben Wolf und Bär in einem Sommer auf Südtirols Almen gerissen

Die Südtirol-Chronik in Zeitungsausschnitten beginnt und endet mit gerissenen Schafen. "Der Bürggräfler" amüsiert sich im Juli 1900: "Die erhitzte Phantasie der Leute machte aus dem wirklichen Bären dort einen Tiger!" Im selben Jahr werden Meraner Äpfel nach China exportiert. 1935 drängt sich die Menge in Meran, um den Duce leibhaftig zu sehen, 1940 optieren 185.365 Südtiroler für die deutsche Staatsbürgerschaft. 1964 startet der Giro d'Italia am Walterplatz in Bozen. Und 2017 haben Wolf und Bär 69 Stück Vieh auf Südtirols Almen gerissen.

Manfred Schwarz, Ein Jahrhundert Südtirol Haymon 2019,264 S.

Ein Leben für Solidarität, Freiheit und Frieden

Leo Stern (1901-1982) stammte aus einer ostjüdischen Familie der Bukowina. Auf die Matura in Czernowitz folgt das Studium (Jus und Volkswirtschaft) in Wien. Der linke Volkshochschuldozent nimmt am Bürgerkrieg 1934 teil, emigriert als überzeugter Kommunist 1936 nach Moskau und kehrt mit der Roten Armee 1945 nach Wien zurück. 1950 übernimmt er eine Professur für Neuere Geschichte in Halle-Wittenberg. Arbeitsgebiete sind u.a. der Feudalismus und die Hussiten. Anderes wie "Die weltgeschichtliche Bedeutung der UdSSR" wäre besser unterblieben.

Gerhard Oberkofler, Leo (Jonas Leib) Stern. Studienverlag 2019,292 S.

Sozialpartnerschaft. Ein zentraler politischer Gestaltungsfaktor der Zweiten Republik am Ende?

Die Sozialpartnerschaft gilt als zentraler politischer Faktor der Zweiten Republik. Beschrieben werden deren historische Wurzeln, die Entwicklung des Provisoriums zum ausdifferenzierten Muster der Interessenpolitik; Form und Struktur des Verbändesystems inklusive Strategie und Stil der Konfliktaustragung bis Mitte der 1980er-Jahre; Fragen der öffentlichen Akzeptanz und die veränderten Rahmenbedingungen durch den EU-Beitritt bis zum Auf und Ab sozialpartnerschaftlicher Einflussnahme in den letzten Jahren. Schließlich die Frage: Steht sie vor dem Aus?

Emmerich Tálos, Tobias Hinterseer, Sozialpartnerschaft. Studienverlag 2019,144 S.

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