Weise Männer und schwarze Magie
Auch in Afrika gibt es geheime Männerbünde. Stärker als im Westen stehen sie unter Druck
"Elvis lebt!" - "Den Holocaust hat es nie gegeben." - "Impfen führt zu Autismus." Die Liste der Verschwörungstheorien ist lang. Wer nun tatsächlich an was glaubt und warum (nicht), darüber sind sich die Disziplinen nicht ganz einig.
Dem Stereotyp zufolge ist der Verschwörungstheoretiker "ein alleinstehender und sexuell frustrierter Mann mittleren Alters. Er ist beruflich wenig erfolgreich und vielleicht sogar arbeitslos, hat keine Freunde und generell wenige soziale Kontakte." Das schreibt der deutsche Amerikanist mit dem Spezialthema Verschwörungstheorien, Michael Butter, in seinem Buch Nichts ist, wie es scheint.
In der quantitativen Forschung wird der Verschwörungsglaube als genderneutral beziehungsweise mit einer leicht verstärkten Tendenz bei den Frauen gesehen. Letztere Feststellung machte der deutsche Psychologe Sebastian Bartoschek, der im Rahmen seiner Dissertation alte Befunde replizierte. Zwar, so schickt er voraus, gebe es keine spezifischen "Frauenthemen" und auch keine "Männerthemen", doch er entdeckte bei seinen Studien (zwei getrennte Befragungen, Stichprobe: 1.200 Personen, Männeranteil: 54 Prozent) einen anderen Zusammenhang: Frauen kennen zwar (in Zahlen) weniger Verschwörungstheorien, glauben aber mehr daran.
"Ich konnte mir das nie erklären, habe es für einen Messartefakt gehalten", sagt Bartoschek und ergänzt: "Eventuell könnte der Zusammenhang mit einer mutmaßlich höheren Religiosität der Frauen zu tun haben." Er hätte eher mit einer Gleichverteilung gerechnet. Das Thema Impfen habe zu dem Zeitpunkt (2006 bis 2008) noch keine Rolle gespielt, sagt er. Dies wäre heute wohl anders.
Radikalisierung durch soziale Medien
Ein Unterschied sei jedoch, dass Männer in ihrem Verschwörungsglauben zu einer stärkeren Radikalisierung tendierten - in Richtung Extremismus bzw. sogar Waffengewalt. "Heute ist der Terrorist männlich", sagt Bartoschek. Das sei vor einigen Jahrzehnten -Stichwort RAF -noch anders gewesen. Die sozialen Medien wirkten laut Bartoschek wie ein Katalysator für die Radikalisierung von Männern. Er selbst sei zu dem Forschungsthema über den biografischen Kontext gestoßen, in Form einiger Erich-von-Däniken-Bücher im Elternhaus. "Ich fand das spannend, ebenso wie in den 90er Jahren 'Akte X'anzuschauen", sagt Bartoschek. Heute komme die Jugend über das Internet, meist in Facebook-Gruppen, mit Verschwörungstheorien in Verbindung. Einstieg sind "einfache" Verschwörungstheorien, etwa Chemtrails. "Das Optische erhalte in den Theorien zu Chemtrails beweisende Kraft", heißt es in dem Bericht "Verschwörungserzählungen" zur 10. Tagung der Kommission für Erzählforschung in der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde. Dann geht es rasch: "Der Glaube an eine Verschwörungstheorie ist stark mit anderen verknüpft", so Bartoschek.
Feldarbeit eines Soziologen im konspirativen Milieu
Der niederländische Soziologe Jaron Harambam hat das Thema im Rahmen seiner Dissertation "The Truth is out there" qualitativ erforscht. Er hat nicht nur die wichtigsten Websites analysiert, sondern begab sich in Form von ethnografischer Feldarbeit zwei Jahre selbst ins konspirative Milieu.
Er las Artikel, Blogs und Bücher; persönliche Kontakte kamen im Zuge von Vorträgen - etwa von David Icke - zustande. Für seine Analyse war es ihm wichtig, die Betroffenen selbst zu Wort kommen zu lassen: Zwölf Männer und neun Frauen zwischen 23 und 67 Jahren (Durchschnittsalter: 42).
Harambam teilt seine Respondenten in drei Gruppen: Aktivisten, Zurückgezogene ("Retreaters") und Mediatoren. In allen Gruppen gab es männliche und weibliche Proponenten, die meisten Frauen jedoch bei den "Retreaters". Den Grund dafür hat er nicht erforscht, vermutet aber: "In dieser Gruppe gibt es einen großen New-Age-Einfluss, und mehr Frauen engagieren sich für spirituelle Themen."
Alles, was Körper, Ernährung und Gesundheit betrifft, spreche eher Frauen an, die technischen Sachen à la "9/11" eher Männer. Also alles in der gewohnten Gender-Schublade. Mit einer Ausnahme: "UFO und Aliens sind definitiv geschlechterübergreifend."