ZOOLOGIE

Chaos, Hurricane und Godzilla, sofort an die Leine!

Was machen Zootiere während der Krise? Die Warane im Haus des Meeres trainieren. In anderen Zoos wurden die Wärter für die Tiere interessant

CLAUDIA STIEGLECKER
vom 03.06.2020

An der Leine zu gehen will gelernt sein: Das gilt nicht nur für Hunde, sondern auch für die drei Komodowarane Chaos, Hurricane und Godzilla. Seit etwa einem Jahr werden die Tiere im Haus des Meeres regelmäßig spazieren geführt. "Wir bauen für unsere Warane eine neue, größere Anlage im neunten Stock", erzählt Zoologe und Direktor Michael Mitic. "Wegen der coronavirusbedingten Schließung stand die Bautätigkeit zwar still, trotzdem wurde mit den Tieren für die kommende Übersiedlung weiter geübt."

Wenn die größere Anlage fertiggestellt ist, sollen die Komodowarane aus dem ersten in den neunten Stock umziehen. Von ihrer Pflegerin werden die mit Geschirr und Leine ausgestatteten Tiere einzeln zum Aufzug gebracht, eine wesentlich stressfreiere Übersiedlung als ein Transport in Kisten. "Das Training wird aber auch nach dem Umzug weitergeführt", meint Mitic. "Ausgewachsene Komodowarane können bis zu dreieinhalb Meter lang und siebzig Kilo schwer werden. Wenn sie zum Beispiel einmal untersucht werden müssen, ist es von Vorteil, wenn sie das Gehen an der Leine gewohnt sind. Und Komodowarane sind für Reptilien außergewöhnlich intelligent und lernfähig. Sie haben Spaß an den Spaziergängen, aber es hängt von ihrer jeweiligen Stimmung ab, ob sie mitmachen wollen." Normalerweise wird mit den Waranen außerhalb der Öffnungszeiten trainiert, wenn keine Besucher vor Ort sind.

Für den Großteil der Tiere, vor allem jene hinter Glas, hätten die fehlenden Besucher allerdings keinen Unterschied gemacht. Die Äffchen jedoch seien merklich anhänglicher gewesen: "Für die Äffchen sind Menschen Unterhaltung und lustig, da haben die Besucher sichtlich gefehlt." Die Tierpflegekräfte, die während der Sperre in drei fixe Teams eingeteilt waren, wurden von den Äffchen bei ihren Tätigkeiten genau beobachtet. "Die Pflegekräfte waren viel interessanter als sonst, die Tiere hatten sie jederzeit im Blick."

Ähnliche Beobachtungen während der besucherfreien Zeit bestätigt auch Simone Haderthauer, zoologische Abteilungsleiterin im Tiergarten Schönbrunn. "Terrarientieren und Fischen war die Sperre gleichgültig. Viele Tiere jedoch waren aufmerksamer als sonst und haben genau beobachtet, wer zu ihnen kommt und was passiert", erzählt sie. Obwohl die Tiere ihre Umgebung auch ohne Besucher kennen, hätten sie gespürt, dass sich etwas verändert hat. "Eine besonders neugierige Nilgauantilope hat sich etwa beim Vorbeigehen richtiggehend an meine Fersen geheftet. Der Einzelne war plötzlich viel wichtiger als sonst."

Auch im Tiergarten Schönbrunn wurde in mehreren Teams gearbeitet, die abwechselnd im Einsatz waren. Der Tagesablauf der Tiere sei dabei im Großen und Ganzen gleichgeblieben, meint Haderthauer.

Bei Arten, die gern und viel mit Besuchern agieren wie beispielsweise die Orang-Utans oder die Papageien, waren die Pfleger und Pflegerinnen als einzige Bezugspersonen allerdings mehr gefordert als üblich.

"Bei diesen Arten hat man deutlich gemerkt, dass ihnen die Abwechslung durch die Besucher fehlt und die Pflegeteams das mit mehr Beschäftigung kompensieren müssen." Raus aus ihren Gehegen durften die Tiere dabei aber nicht. "Die Anlagen sind so gestaltet, dass die Tiere sich darin wohlfühlen", unterstreicht Simone Haderthauer.

Ganz ohne Besucher ist die temporäre Schließung dennoch nicht vorübergegangen. Wilde Stockenten und Teichrallen, die stets zu den Dauergästen des Tiergartens zählen, haben während der Schließung die Plätze der Besucher erobert: "Die Enten lagen teilweise ganz entspannt mitten auf den Gehwegen", sagt Simone Haderthauer. "Tiere wie Menschen freuen sich nun aber darüber, dass der Tiergarten wieder öffnen darf. Die Tiere sollen die Menschen begeistern - das geht ohne Besucher nicht."

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