BRIEF AUS BRÜSSEL

Grüne Stadt

EMILY WALTON
vom 08.07.2020

Zunehmende Trockenheit in Europa wäre aus Brüsseler Sicht gar nicht die schlechteste aller Veränderungen, schließlich gehört der Regen hier so zum Alltag wie der Geruch von Waffeln und Frittenfett.

Doch tatsächlich eignet sich Brüssel als anschauliches Beispiel für einen Aspekt, der mit dem Klimawandel, steigender Trockenheit und drohender Versteppung in weiten Teilen Mittel-und Südeuropas zusammenhängt. Wie wichtig es nämlich ist, das Grün zu erhalten und die fortschreitende Bodenversiegelung zu stoppen.

In Brüssel lässt sich das recht einfach und recht unwissenschaftlich nachempfinden.

Schauplatz eins: Das Europa-Viertel, zu großen Teilen eine recht unansehnliche Betonwüste. Im Sommer, wenn es heiß wird, ist es zwischen den Botschaften, Kommissions-und Parlamentsgebäuden ziemlich unerträglich, wenn man nicht gerade auf halbem Weg zwischen Kommission und Parlament im Parc Leopold im Schatten eines Baumes sitzt.

Schauplatz zwei: Irgendwo im grünen Gürtel rund um Brüssel. Was im (europäischen) Herzen der Stadt unmöglich scheint, ist am Ende der Buslinien, die im Eurokraten-oder im Touristenviertel losfahren und sich durch das Grau in die Außenbezirke schlängeln, Realität: Wälder über Wälder, Wander-und Spazierwege, die einen die Hitze der Stadt rasch vergessen lassen.

Die Wälder und Wege zeigen das "wahre" Brüssel, denn so ist der Großteil der Stadt: grün. Wer es nicht glaubt, möge sich auf Satellitenbildern überzeugen oder noch besser auf der Promenade Verte. Der "grüne Spaziergang" ist ein gut sechzig Kilometer langer Rundweg um die Stadt, der durch einige der vielen Brüsseler Parks und Wälder führt.

Er ist, dem Namen entsprechend, tatsächlich ziemlich grün (ja, ich bin die ganze Länge gegangen; nein, nicht in einem Stück). Und ziemlich schön und in ein paar klitzekleinen Teilstücken auch ziemlich belgisch: Etwa dort, wo der sonst wirklich wunderschöne Spazierweg dann ausgerechnet an der Rückseite eines IKEA-Standortes verläuft.

Wüsste man es nicht besser, könnte man wirklich fast glauben, der Streckenverlauf sei absichtlich am Hinterausgang und Mülllager vorbei gewählt -quasi als Warnung, was passiert, wenn grün zu grau wird.

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