Im FWF-geförderten Doktoratskolleg
Im FWF-geförderten Doktoratskolleg "Water Resource Systems" an der TU Wien erforschen diese drei Nachwuchswissenschafter komplexe Hochwasserdynamiken
Warum streifen wir Menschen nicht mehr als Jäger und Sammler durch Wälder und Steppen, sondern ernähren uns von einer inzwischen immer stärker industrialisierten Landwirtschaft?
Die Schwelle vom Jagen und Sammeln zur Sesshaftigkeit, zu Ackerbau und Viehzucht bezeichnet man als neolithische Revolution. Sie war ein "Nichtereignis", erklärt der Umwelthistoriker Joachim Radkau, das sich über Jahrtausende hinzog. Domestizierte Tiere erleichterten das Ziehen von Lasten und das Pflügen der Felder; ein starkes Pferd oder ein Ochse verzehnfacht die Leistung eines Menschen. Die Fläche an notwendigem Land, um einen Menschen zu ernähren, sank auf ein Zehntel bis ein Hundertstel im Vergleich zur Jägerund Sammlergesellschaft.
Aber alle Daten weisen darauf hin, dass die Lebensqualität der Menschen durch diese Revolution gesunken ist. Die Jäger und Sammler lebten gesünder als ihre sesshaften Nachbarn und Nachfolger. Dennoch hat sich die ungesündere, mühsamere Kultur durchgesetzt. Warum?
Für die Jäger und Sammler setzte die Natur dem Ökosystem Grenzen, innerhalb derer sie lebten, ähnlich wie für die wilden Tiere. Erlegte unsere Vorfahren vor 20.000 Jahren ein Mammut, aßen sie so lange, bis sie nicht mehr konnten. Denn die nächste Hungerphase kam gewiss. Heute können wir uns das Kalorienäquivalent eines Mammuts bequem in einem Geschäft besorgen, ohne uns körperlich anzustrengen. Unser genetisches Programm aus der Jäger-und Sammlerzeit ist jedoch geblieben: Nimm, was dir schmeckt und so viel du bekommen kannst! Auch den domestizierten Tieren geht es so, Hunden, Katzen, Wellensittichen oder Hausschweinen. Der Nobelpreisträger Konrad Lorenz hat dies mit ironischem Blick auf seinen eigenen Bauch als die "Verhausschweinung des Menschen" bezeichnet: Es gebe Personen, "die nur an Fressen und Begattung denken", oft kombiniert mit der Unfähigkeit, die eigenen Triebe zu beherrschen und zu steuern.
Laut einer Studie des Weltklimarates IPCC vom August 2019 hat sich die Pro-Kopf-Verfügbarkeit von Fleisch und Pflanzenöl seit 1961 mehr als verdoppelt. Die Anzahl übergewichtiger Menschen ist mittlerweile weltweit auf zwei Milliarden gestiegen.
Jeder Appell zur persönlichen Anpassung des Lebensstils muss sich an empirischen Befunden wie den Milliarden Übergewichtigen messen lassen; zum Beispiel an der Weigerung, etwas Sinnvolles wie eine geringere Nahrungsaufnahme auf sich zu nehmen, selbst wenn es unmittelbar und sichtbar der eigenen Gesundheit nützen würde.
Wie viel schwieriger müssen dann erst kollektive Verhaltensänderungen sein, die keinen unmittelbar erfahrbaren, persönlichen Nutzen abwerfen, dafür aber als Schmälerung der Lebensmöglichkeiten empfunden werden? Gerade solche Einschränkungen erscheinen angesichts schwindender Ressourcen und der ökologischen Krise dringend notwendig.
Die Natur hat die Verwirklichung unserer Wünsche lange begrenzt. Jetzt sind wir stärker als sie und können ihre Grenzen mit technischen Hilfsmitteln überwinden, bis sie sich mit anderen, globalen Grenzen und Kipppunkten schmerzhaft in Erinnerung ruft. Vielleicht müssen wir doch dem Rat der Zauberin Kirke folgen und uns wie Odysseus an den Mast unseres Schiffes binden lassen, um nicht dem Ruf der Sirenen zu erliegen, die uns mit unwiderstehlichem Gesang ins sichere Verderben rufen.