ALLTAGSTECHNOLOGIE

Die immer größeren Dinge des Lebens

Wachsen unsere alltäglichen Gebrauchsgegenstände eigentlich mit uns mit oder gehen wir heute anders mit Platz um als früher?

SABINE EDITH BRAUN
vom 18.11.2020

Sucht man im Italienurlaub eine Boutique auf, ist das oft frustrierend: Die eigene Größe passt nicht! Umgekehrt in den USA: Da passen Größen, von denen man zu Hause nur zu träumen wagt.

Normen und Sicherheit versus Kreativität

"Wir ärgern uns über die ANSI/BIFMA- Norm aus den USA", sagt Stefan Diez, Leiter des Instituts Industrial Design 1 an der Universität für angewandte Kunst. Durch diese Norm würden Stühle "plump und schwer". Dies schränke nicht nur die kreative Arbeit ein, sondern verschwende auch Material.

Auch Autos werden immer größer. Würden wir in einen Puch 500 überhaupt noch hineinpassen?"Durchaus", meint Diez, "aber unser Sicherheitsbedürfnis und unsere Vorstellungen von Komfort machen den einfachen Dingen einen Strich durch die Rechnung. Es wäre toll, wenn man in die Karosserie eines 500 einen modernen Motor einbauen würde. Es gibt ja solche Versuche, aber sie sind eher Randerscheinungen. Renault hat es versucht."

Welches Platzangebot fand die in unserer Vorstellung schmächtige Nachkriegsgeneration in der Eisenbahn? Die ÖBB teilen mit, "dass das Platzangebot in den 1950er und 1960er Jahren pro Fahrgast im Vergleich zu heute eher größer war".

Der Großraumwagen nach dem Ikea-Küchenkonzept

Heute spielt bei der Konzeption neuer Züge die Sitzplatzmaximierung eine Rolle: Gab es früher im 2.-Klasse-Abteilwagen 66 Plätze, verfügt der Großraum-Railjetwagen (2. Klasse) über 80 Sitze. War ein Standard-Sitzpolster in einem "Schlierenwagen" (das waren die crémeweiß-orangefarbenen) früher 514 Millimeter breit, hat ein aktueller in der 2. Klasse nur noch 450. Die ÖBB betonen: "Für die Gestaltung von neuen Fahrgastsitzen berücksichtigen wir immer die anthropometrischen Körpermaße, die aus den Messungen der jeweiligen Population gewonnen werden." Wie geht das -Zauberei? Wohl eher durch exakte Bemessung, ein kompakteres Material und das Vermeiden des Verschenkens von Stauraum wie in der Ikea-Küche, wo jeder Kubikmeter Luft gut verplant ist.

Wie sieht es in U-Bahn und Straßenbahn aus? "Über die letzten Jahre hinweg ist eine leichte Verbreiterung der Sitze zu sehen. Die Wiener Linien versuchen immer, die Balance zwischen höchstmöglichem Komfort und platztechnischen Möglichkeiten zu finden", heißt es dort. Demnach betrage die Sitzbreite im E-Wagen, dem ältesten im Betrieb befindlichen Modell, 140 Millimeter. In der nächsten Generation, dem ULF, waren es 420 und im neuen Flexity sogar 446. Ein mit 680 Millimeter extrabreiter Sitz im Flexity ist für ein Kind mit Begleitperson gedacht. Bezüglich der Sitzplatzbreite gebe es "keine ausdrückliche Norm, allerdings Empfehlungen, an denen wir uns orientieren".

XXXL-Särge auf den Wiener Friedhöfen

Während man über Kleidung, Möbel und Mobilität gern spricht, bleibt eines oft ausgespart: der Tod. "Uns fällt auf, dass die Menschen vor allem größer und damit breiter werden", sagt Bestatter-Innungssprecher Rainer Wernhart. "Eine Körpergröße von 1,85 ist heute nicht mehr so unüblich wie noch vor fünfzig Jahren."

Zwei Meter lang und 55 bis 65 Zentimeter breit ist ein Sarg. Da die Zeit für Maßanfertigung fehlt, gibt es eine begrenzte Zahl von "Übergrößen" auf Halde. Diese Sondergrößen sind bis zu 100 Zentimeter breit und immer auch mit Metall verstärkt: Sie sind für ein Gewicht ab 200 Kilogramm gedacht.

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