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Die Psychologin Stefanie Auer ist stellvertretende Dekanin der Fakultät für Gesundheit und Medizin der Donau-Universität Krems und leitet den transdisziplinären Studiengang "Demenzstudien".
Frau Auer, arbeiten die Studierenden während des Studiums auch mit Kranken?
Stefanie Auer: Viele der Studierenden haben langjährige Erfahrungen mit Menschen mit Demenz. Leider verfügen wir derzeit noch nicht über eine praktische Lehrumgebung, das wäre natürlich optimal. Seit Jahren plädiere ich schon für die Errichtung von Lehrpflegeheimen.
Welche Erkenntnisse über Demenzforschung vermitteln Sie Ihren Studierenden?
Auer: Die Forschungstätigkeit hat international an Fahrt aufgenommen. Leider besteht eine riesige Diskrepanz zwischen Wissenschaft und Praxis. Wesentliche Erkenntnisse erreichen die Praxis nicht oder mit großer Verzögerung, zum Leid der Betroffenen und deren Angehörigen. Also ist einer unserer zentralen Punkte, Studierenden den Wissenszugang zu eröffnen. Ein wichtiges Element ist die differenzierte Betrachtungsweise des Krankheitsbildes Demenz, einer Erkrankung, die sich über viele Jahre hinweg entwickelt. Die Bedürfnisse einer betroffenen Person am Anfang der Erkrankung sind grundlegend verschiedenen von jenen am Ende der Erkrankung. Am Anfang beschäftigt sich eine betroffene Person damit, ob das Vergessen, das sie bemerkt, noch normal ist, oder ob man bereits einen Spezialisten aufsuchen sollte. Dadurch können sich Depressionen als Reaktion entwickeln. Dann erfolgt die Diagnose, deren Verarbeitung genauso kompliziert ist wie bei einer Krebsdiagnose. Am Ende der Erkrankung kommen ganz andere Bedürfnisse ins Spiel. Auch die begleitenden Angehörigen sind ein wichtiger Teil, auch deren Bedürfnisse verändern sich in den verschiedenen Phasen der Erkrankung. All dies ist Inhalt des Diskurses mit unseren Studierenden. Sie lernen, ihr Expertenwissen aus der Praxis mithilfe der Evidenz aus der internationalen Literatur zur reflektieren und gelangen so zu einer differenzierteren Betrachtungsweise. In Österreich brauchen wir dringend Forschungsumgebungen. Die Absolventen und Absolventinnen gehen zurück in ihre Arbeitsfelder im Krankenhaus, im Pflegeheim, in der Schule oder in therapeutischen Einrichtungen, bereiten dort diese Forschungsumgebungen vor und verbreiten das Verständnis für die Notwendigkeit von wissenschaftlichen Studien.
Welche Diagnose-und Behandlungsformen gibt es derzeit?
Auer: Das Wissen über die biologischen Grundlagen der Erkrankung und über bessere Diagnoseerstellung hat zugenommen. Leider hinkt die Praxis der Theorie noch weit hinterher: So bekommen in Österreich und weltweit nur wenige Personen mit Demenz eine medizinische Diagnose, etwa zwanzig bis dreißig Prozent. Begründet wird dies mit einer fehlenden medizinischen Therapie -eine nihilistische Sichtweise: Wozu eine medizinische Diagnose, wenn es keine Heilung gibt. Aber es gibt sehr viele nicht-pharmakologische Therapieformen, die ein gutes Leben trotz Demenz ermöglichen.
Wie sieht es mit der Prävention aus? Wirkt Weiterbildung wirklich präventiv?
Auer: Wir kennen heute Risikofaktoren, die behandelbar sind. Demenzprävention ist auch Risikoreduktion über die Optimierung des Lebensstils. Bisher sind sieben potenziell behandelbare Risikofaktoren beschrieben: Kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes und Übergewicht; psychosoziale Risikofaktoren wie Depression; Risikofaktoren in Zusammenhang mit dem Lebensstil, also wenig körperliche Bewegung, geistige Inaktivität und Rauchen. Diese Risikofaktoren sind gemäß den Studien für ungefähr die Hälfte aller weltweiten Fälle von Alzheimer verantwortlich. Untersuchungen haben gezeigt, dass sich lebenslanges Lernen sehr positiv auf unsere Gehirngesundheit auswirken kann.
Gibt es aktuell Forschungsprojekte in den Bereichen Therapie und Prävention?
Auer: Wir starten gerade ein Forschungsprojekt, bei dem wir ein Studienprotokoll ähnlich der großen "Finnish Geriatric Intervention Study" von 2015 entwickeln. Bis jetzt ist die sogenannte "Finger"-Studie die erste positive Studie zu Bewegung, Ernährung, geistige Stimulation und Kontrolle der medizinischen Parameter wie Bluthochdruck, Diabetes, oder Depressionen. Die meisten anderen ähnlichen Studien konnten die Ergebnisse der Finger-Studie jedoch nicht replizieren. Einigkeit besteht darüber, dass die Methoden-und Präventionsstrategien an verschiedene kulturelle Settings angepasst werden müssen.
Der Neurologe Atbin Djamshidian-Tehrani leitet die Gedächtnisambulanz an der Universitätsklinik für Neurologie der Medizinischen Universität Innsbruck.
Herr Djamshidian-Tehrani, wie viele Patienten betreuen Sie?
Atbin Djamshidian-Tehrani: Etwa 600, rund dreißig Prozent weniger als vor Beginn der Corona-Pandemie. Sechzig bis siebzig Prozent haben eine Alzheimerdemenz. Viele kommen in der Sorge, an Demenz erkrankt zu sein, ein Teil hat bereits ein ,mildes kognitives Defizit', also eine Vorstufe erreicht. Fünfzehn bis zwanzig Prozent leiden an vaskulärer Demenz, bedingt durch Mikrodurchblutungsstörungen im Gehirn, etwa durch Bluthochdruck und Diabetes.
Was hat sich in den letzten zwanzig Jahren in der Inzidenz von Demenzfällen verschoben?
Djamshidian-Tehrani: Absolut gesehen steigt die Anzahl der Patienten und Patientinnen mit Demenz, was aber auch am Älterwerden der Menschen insgesamt liegt. Neuerkrankungen bei Achtzigjährigen wurden in den letzten zwanzig Jahren sogar weniger. Heute gibt es mehr Achtzigjährige, die geistig fitter sind als vor zwanzig Jahren.
Wie erstellen Sie die Diagnose?
Djamshidian-Tehrani: Zuerst machen wir eine genaue Anamnese hinsichtlich der Symptomatik und untersuchen organisch und neurologisch. Wir untersuchen Laborparameter und machen kognitive Tests, fragen aber auch nach Risikofaktoren wie einer auffälligen Familiengeschichte, nach riskanten Sportarten, nach der regelmäßigen Medikamenteneinnahme. Schmerztabletten, Schlafmittel und manche Antidepressiva können temporäre Gedächtnisstörungen hervorrufen. Wenn klinisch ein Demenzverdacht auftritt, schauen wir uns die Strukturen und Aktivität des Gehirns mittels Magnetresonanz und Positionen-Emissions-Tomografie-Untersuchung an. Manchmal machen wir auch eine Lumbalpunktion. Das Wichtigste ist zunächst, Patienten und Angehörige genau aufzuklären, denn ein großes Problem bei Alzheimer ist auch die mangelnde Einsicht der Patienten. Da geht es auch um eine Veränderung des Lebensstils. Wenn erst eine ,milde kognitive Störung' vorliegt, kann man das zu vierzig Prozent positiv beeinflussen. An Medikamenten geben wir Acetylcholinesterasehemmer mit dem Ziel, den Verlauf der Erkrankung zu verlangsamen. Unter Umständen ist eine Therapie zur Verbesserung des Schlafes oder der Stimmung notwendig. Von großer Bedeutung ist die körperliche und soziale Versorgung der Betroffenen, daher führen wir auf Wunsch auch Sozialberatungen für Betroffene durch. Wir bieten auch kognitives Training an, sofern es sinnvoll ist.
Gibt es auch so etwas wie eine normale Altersvergesslichkeit?
Djamshidian-Tehrani: Natürlich, aber die bedarf keiner Therapie.
Haben sich in den letzten Jahren die Therapieformen verbessert?
Djamshidian-Tehrani: Es gibt neue Ansätze bei Frühformen von Alzheimer, die das Ausbreiten von toxischen Eiweißen verhindern sollen. Da gibt es vielversprechende Studien und ein Medikament namens Aducanumab, das knapp vor der Zulassung steht. Ziel ist eine Verzögerung der Symptomatik über das derzeitige Zeitlevel hinaus, das wäre schon ein großer Erfolg. Aber es wird viel geforscht und es wird sich in den nächsten Jahren einiges tun in Richtung Antikörper-Therapeutika, da bin ich sicher.