Digitaler Wandel in Afrika: Menschenzentriertheit
China und die USA sind die Treiber des digitalen Wandels in Afrika. Die EU kann dabei ihre Werte einbringen, wenn sie es richtig machen will
vom 28.04.2021
"Die Digitalisierung wird häufig als Lösung für verschiedenste Probleme präsentiert. Hier kann man befürchten, dass dies nur ein Feigenblatt ist, um zugrundeliegende strukturelle Probleme zu verdecken. So haben nur durchschnittlich 25 Prozent der afrikanischen Bevölkerung im ländlichen Raum in Sub-Sahara Zugang zu Elektrizität, gleichzeitig spricht man von der Schaffung einer E-society", sagt Stefanie Kunkel, wissenschaftliche Mitarbeiterin für Digitalisierung und Nachhaltigkeit am IASS (Institute for Advanced Sustainability Studies) in Potsdam. Soll also die Digitalisierung dem afrikanischen Kontinent nützen, dürfe man nicht nur technologiezentriert denken, sondern vor allem menschenzentriert und nachhaltig.
EU-und AU-Strategie für den digitalen Wandel in Afrika
Die EU-Kommission hat vor einem Jahr eine neue Strategie für Afrika vorgeschlagen, bei der der digitale Wandel ein Schlüsselbereich ist. Diesen neuen Weg möchte die Digital Economy Taskforce von EU und AU (Afrikanische Union) einschlagen. Kunkel bewertet darin folgende Schwerpunkte positiv: Das Einbeziehen von Frauen und Kindern, denn diese spüren die digitale Kluft stärker; den Fokus auf Bildung, denn Menschen müssen mit dem Internet umgehen können; die Erwähnung der Verbindung zwischen Klimaschutz und Digitalisierung, da eine CO2-Reduktion mitbedacht werden soll.
An die Digitalisierung knüpfen die Länder Afrikas viele Hoffnungen: neue Dienstleistungen, Informationszugang für alle und mehr Produktivität. Auf der Negativseite stehen Arbeitsplatzverlust, Datenmissbrauch und Umweltprobleme. Die Elektronikindustrie sowie die USA und China profitieren vom Rohstoffabbau in Afrika, oft unter Missachtung von Arbeitsrecht und Umweltschutz. Außerdem häufen sich dort riesige Elektroschrotthalden.
Die Forderung, die Wertschöpfung vor Ort zu fördern, sieht Kunkel als schwierig, denn aus Asien weiß man, dass der Wettbewerb in der Elektronikindustrie hart ist: "Besser wäre es, Prozesse, mit denen Afrika bereits vor Ort konfrontiert ist, anders zu gestalten, etwa mit Kreislaufmodellen zur Wiedergewinnung von Rohstoffen aus Elektroschrott. Hier könnte die EU im Rahmen von ökologischen Design-Richtlinien fordern, dass Teile wie Akkus oder Platinen austauschbar gestaltet und somit auch rückgewonnen werden können."
So folgert auch die IASS-Studie "Digitalized economies in Africa": Eine ausgebaute digitale Infrastruktur könne Bildung, Lebensstandard und den Gesundheitssektor fördern wie auch die Entwicklung von nachhaltigen Produktionswegen, auch im IKT-Sektor.
Datenschutzgrundverordnung als Standard für Afrika
Die USA mit den dominierenden GAFA- Unternehmen (Google, Amazon, Facebook, Apple) sowie China setzen ihren digitalen Fußabdruck in Afrika. Im Wettbewerb um die Gestaltung der globalen digitalen Ordnung muss die EU zeigen, was sie zu bieten hat. Ihre Vorzüge heißen für Benedikt Erforth, Politikwissenschafter am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik in Bonn, Standardisierung und Menschenzentriertheit. Einer der größten Effekte, den die Digitalisierung hervorbringt, sind Skaleneffekte. Diese werden am besten erzielt, wenn einheitliche Standards verwendet werden. So ist die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ein Vorbild für Afrika. Kenia hat sich bereits daran orientiert.
Den menschenzentrierten Ansatz erklärt Erforth anhand der Automatisierung und deren Konsequenzen: "Wenn man Digitalisierung als Jobmotor proklamiert, geht es auch und vor allem um digital enabled jobs. Die müssen wir schaffen, etwa, indem Landwirtschaft wieder attraktiv wird, weil Ernte und Ertrag durch Unterstützung von digitalen Technologien steigen. Wenn Jobs durch Automatisierung verloren gehen, braucht es politische Antworten." Im Sinne ihrer Werte sollten EU und AU gemeinsam die wirtschaftliche und soziale Sicherheit sowie die Privatsphäre der Menschen in den Mittelpunkt stellen. Das ist auch Anspruch der EU-Plattform Digital4Development -nun gelte es, dies mit Leben zu erfüllen.
Der Privatsektor sollte einbezogen werden, denn Staaten können nicht alles stemmen; hier stelle sich auch die Frage, inwieweit Digitalisierung als dezidiert entwicklungspolitische Maßnahme betrachtet werden kann. Auf jeden Fall haben Staaten die Aufgabe, menschzentrierte Regularien zu setzen, um individuelle Rechte zu schützen. Der Fokus auf Digitalisierung und grüne Transformation ist für Erforth ein Asset: "Das sind unsere zwei Transformationsfelder und wir können dafür sorgen, dass sie nicht an den EU-Außengrenzen Halt machen, sondern Wohlstand in Zusammenarbeit mit afrikanischen Partnern sichern."