HORT DER WISSENSCHAFT

Heimito und die Förderung

MARTIN HAIDINGER
vom 23.06.2021

"Ich wurde nie ermutigt und nie gefördert. Das hat sich aber jetzt hoffentlich aufgehört, in der Zwischenzeit? Es war nie der Fall und inzwischen habe ich mich selbst gefördert. Und das ist ein gutes System? Das ist das einzig richtige und mögliche System!"

Dieser Dialog zwischen dem Schriftsteller Heimito von Doderer und dem Reporter Heinz Fischer-Karwin lief 1957 im österreichischen Radio. Heute wirkt er wie aus der Zeit gefallen, und ist es auch. Ein Literat, der es zu etwas gebracht hat und nie an ein Förderungsprogramm angedockt, nie ein Stipendium bezogen hat? Und weitergedacht: Wovon hätte Doderer sich in Pandemiezeiten wohl ernährt? Sind außer Denken, Schreiben und Bogenschießen keine weiteren Kompetenzen von ihm bekannt?

Oh doch, immerhin hatte er ein paar Monate lang den Kurs des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, kurz IfÖG, in Wien besucht, und hätte er ihn auch absolviert, würde man ihn zu einer Elite der Historikerzunft seiner Zeit gezählt haben. Nun ist das Wesen und Schicksal des hochkomplexen Charakters und Eigenbrötlers Doderer keinesfalls auf größere Gruppen damaliger oder heutiger Zeitgenossen jederlei Geschlechts applizierbar, weshalb wir uns auch guten Gewissens ausgiebig darüber freuen dürfen, dass es Institutionen wie die Österreichische Forschungsgemeinschaft gibt, die jungen Menschen hilft, den Dschungel der akademischen Welt zu durchdringen.

Mit ihren Programmen, Zuschüssen und Arbeitsgruppen leistet die ÖFG seit Jahrzehnten hervorragende Arbeit an unserer Gesellschaft, denn die Scientific Community zu pimpen hilft allen in Österreich, auch solchen, die es nicht bemerken. Derzeit sticht besonders ein ÖFG-Online-Workshop ins Auge: "Studierende zum Abschluss motivieren."

Vielleicht gelänge solche Motivation mit dem Appell an die Akzeptanz des allgemeingesellschaftlichen Nutzens von akademischen Leistungen und Heimitos Erkenntnis: "Jeder Mensch, der nur seinen Charakter realisiert, ist dämonisch."

War Doderers Studienbremse noch ein ganzer Weltkrieg, nämlich der Erste, macht unseren Studiosi lediglich eine Pandemie zu schaffen, bei der die Leichenberge ausgeblieben sind und die daher mit der von Heimito 1919 erlebten Spanischen Grippe nicht vergleichbar ist. Ich weiß schon, Covid 19 ist schlimm genug, aber trotzdem will ich keine Zeitmaschine besteigen, die mich in Doderers Welt zurückbeamt. Also, kriegt euch wieder ein und lasst euch fördern!

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