Die Zukunft der Wissenschaftsberatung

ANTONIO LOPRIENO
vom 29.09.2021

Der Österreichische Wissenschaftsrat befasst sich aktuell zum einen mit der Internationalisierung österreichischer Hochschulen im Sinne der Rahmenbedingungen und strategischen Ausrichtung sowie auf Ebene der Studierenden und Forschenden. Zum anderen beleuchtet er den Status quo der Informatik in Österreich, um daraus Empfehlungen zur Weiterentwicklung des Feldes abzuleiten. Nicht zuletzt scheint mit dem Jahreswechsel der Zeitpunkt erreicht zu sein, die Beratungsstrukturen in Fragen der Wissenschaft, Forschung und Innovation neu zu regeln. Hierauf möchte ich im Folgenden eingehen.

Institutionelle Änderungen in unserer Hochschullandschaft, vor allem aber die digitale Transformation und nun die Pandemie, haben dem klassischen Betrieb der Wissenschaftsberatung zugesetzt. Das traditionelle Modell eines regelmäßig tagenden Gremiums von Fachleuten, die sich wie im Falle des ÖWR mit mittel-bis längerfristigen Fragen einer nationalen Wissenschaftsoder Innovationslandschaft befassen, stößt an seine Grenzen, weil politische Entscheidungsträger*innen im nationalen wie europäischen Kontext auf raschere Reaktionszeiten angewiesen sind.

Während der Pandemie hat sich etwa weithin das Modell einer interdisziplinären Taskforce durchgesetzt: Zur Vorbereitung und Begleitung politischer Entscheidungen werden Expert*innen in den einschlägigen Bereichen zu einem temporären Gremium berufen.

Somit stecken gegenwärtige Beratungsgremien in einem Dilemma: Zwar sollen Empfehlungen jene Standards der Qualitätssicherung einhalten, die bisher kennzeichnend für solche Gremien sind, jedoch erfordert dies Zeit für empirische Vorstudien sowie eine minimale Größe zur Durchführung einer Peer-Review, ohne die die formulierten Empfehlungen ihre wissenschaftliche Glaubwürdigkeit einbüßen würden. Andererseits erwarten Öffentlichkeit und Politik von der wissenschaftlichen Community schnelle Reaktionszeiten, insbesondere für die Bewältigung einer Krise, gerade im Hinblick auf jene empirisch fundierten Entscheidungen, die für eine Wissensgesellschaft wie unsere fundamental sind. Worauf ich hinaus will: Das ideale Beratungsgremium benennt Handlungsbedarf initiativ und ist stets ansprechbar; es hat das System im Auge, zeigt langfristige Perspektiven auf und kann zugleich unmittelbarer auf aktuelle Notwendigkeiten reagieren; es hat die Wissenschaft im Zentrum, ohne weitere Teilbereiche der Gesellschaft in seinen Arbeiten außen vor zu lassen; kurzum: ein Rat als eierlegende Wollmilchsau.

So könnte eine Lösung in der Kombination beider Modelle bestehen: Ein potenzielles wissenschaftliches Beratungsorgan könnte aus einer relativ kleinen Zahl ständiger Mitglieder bestehen, die sich jedoch für die Formulierung ihrer Empfehlungen von Fall zu Fall von einem erweiterten Kreis wissenschaftlicher (und ggf. wirtschaftlicher) Peers begleiten lassen. Zweifellos wäre damit nicht besagtes Tier geboren, doch wären damit wissenschaftliche Zuverlässigkeit, inhaltliche Flexibilität und zeitliche Agilität gewährleistet.

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