Vertrauen ist entscheidend

Wie Wissenschaft glaubwürdig an die Bevölkerung vermittelt wird, erforscht Friederike Hendriks von der TU Braunschweig

MICHAELA ORTIS
vom 08.06.2022

Das ist ja das Problematische an unserem Verhältnis zur Wissenschaft: Wir sind immer Lai *innen. Sogar Expert* innen in einem Gebiet sind Lai*innen im nächsten, sodass Vertrauen eine grundlegende Funktion zwischen Wissenschaft und Gesellschaft hat. Von anderen sind wir also immer abhängig", sagt Friederike Hendriks von der Technischen Universität Braunschweig. Aus der pädagogischen Psychologie mit Perspektive auf kognitive Prozesse beim Lernen ist sie in die Wissenschaftskommunikation gekommen; ihre interdisziplinäre Forschungsgruppe untersucht, wie Wissenschaftler*innen künftig besser kommunizieren können, um eine breite Bevölkerung zu erreichen.

Die Abhängigkeit von Vertrauen habe der Soziologe Niklas Luhmann auf der Systemebene beschrieben, so Hendriks: "Ohne unser Vertrauen, dass ein System mit seinen Regeln funktioniert, können wir als Gesellschaft nicht weiterkommen. Das funktioniert auch auf individueller Ebene: Wenn jemand im Sinn unserer Werte agiert und das Wissen bereitstellen kann, so können wir darauf vertrauen, dass diese Person stellvertretend für uns agieren kann." Wir können beispielsweise nicht selbst entscheiden, welche Heizung umweltfreundlich ist, sondern müssen darauf vertrauen, dass jemand das erforscht hat und ein anderer das verlässlich so produziert.

Wir erkennen schnell, wer ehrlich ist Kognitionspsychologische Studien zeigen, dass Erwachsene die Zuständigkeit und Vertrauenswürdigkeit von anderen Menschen rasch erkennen. Wenn es etwa um Medizin geht, überprüfen wir die Zuständigkeit der sprechenden Person mit ihrem wissenschaftlichen Abschluss. Ebenso leiten wir aus ihrem Kommunikationsverhalten viel ab, erklärt Hendriks: "Wir erkennen meist schnell, ob jemand uns täuschen will oder ehrlich ist. Das Fachwort heißt epistemische Vigilanz." Diese Wachsamkeit, ob eine Informationsquelle sicher ist, sei nicht nur eine rationale Abwägung, denn als Lai*innen können wir ja vieles nicht mit unserem Wissen überprüfen.

In Österreich ist das Vertrauen in die Wissenschaft besonders schlecht, zeigt das aktuelle Eurobarometer. Auf die Frage nach den Auswirkungen von Gentechnik hatten die Befragten hierzulande die negativste Einschätzung unter allen EU-27-Ländern.

Und knapp ein Drittel glaubt, dass Forschende nicht ehrlich sind. Hendriks differenziert in ihrer Analyse: "Ich sehe den DACH-Raum ähnlich. In Deutschland ist laut Wissenschaftsbarometer zu Beginn der Coronakrise das Vertrauen in die Wissenschaft von etwa fünfzig auf 76 Prozent extrem gestiegen. Das glaube ich nicht, sondern hier wird etwas deutlich, nämlich das Problem der Fragestellung. Am Pandemiebeginn haben die Menschen möglicherweise bei Wissenschaft mehr an jene Disziplinen gedacht, die gerade in der Krise aufgeklärt, beraten und nach Lösungen gesucht haben. In anderen Zeiten assoziieren die Befragten vermutlich breiter und denken auch an technische Lösungen wie Gentechnik oder Atomkraft, bei denen sie aufgrund der Risiken eher skeptisch sind oder Ängste haben." Ebenso werde bewertet, ob der Weg, wie Wissenschaftler*innen Probleme lösen, konform mit den eigenen Werten ist.

Allgemein gesehen ist Skeptizismus durchaus angebracht, da wir nicht blind vertrauen sollen. Elitenskepsis zeige jedoch, dass wir verschiedene Gruppen in der Bevölkerung haben und diese unterschiedlich angesprochen werden sollten. Skeptiker*innen könne man nicht durch Kommunikation erreichen, sondern hier müsse früh mit Bildung angesetzt werden. Das wird sich aber erst auf künftige Generationen auswirken.

Kurzfristiger wirksam sei eine offene statt einer belehrenden One-Way-Kommunikation. Geeignet dafür seien Kommunikator*innen, die der Zielgruppe ähnlich sind, etwa YouTuber, Rapper*innen oder Imame: "So kann man wissenschaftliche Themen gut an diese Gruppe vermitteln und auch über ethische Fragen reden, etwa bei der Impfpflicht. Eine Studie aus den USA hat gezeigt: Je ähnlicher uns Kommunikator*innen hinsichtlich ihrer Werte sind, desto eher vertrauen wir ihnen."

Auch sollten Menschen ein wissenschaftliches Grundverständnis haben und die Bereitschaft, sich mit komplexen Inhalten auseinanderzusetzen. Viele gesellschaftliche Gruppen seien am besten über Social Media zu erreichen, in denen es bereits gute Formate gibt. Gleichzeitig sei statt passiver Nutzung die Digital Literacy zu stärken, damit Menschen Fehlinformationen erkennen können.

Mut zur Unsicherheit zahlt sich aus Für Forschende stellt sich die Frage, wie sie Vertrauenswürdigkeit vermitteln können. Dazu gehört der Mut, Unsicherheit oder Vorläufigkeit offenzulegen, statt zu hoffen, dass niemand etwas bemerkt.

So hat Friederike Hendriks bei Wissenschaftsblogs untersucht, was passiert, wenn Autor*innen Fehler zugeben oder sagen, es müssten weitere Studien gemacht werden, um ihre These zu stärken: "Sie werden dann etwas weniger als Expert*innen wahrgenommen, doch ihre ehrliche Kommunikation dient ihrer Integrität und steigert das Wohlwollen der Bevölkerung."

In der Coronakrise hätte man stärker kommunizieren sollen, warum unser Wissen über das Virus besser wird und dass eine Impfstoffentwicklung, selbst wenn sie schnell geht, verlässlichen Prozessen folgt. Man müsse zeigen, dass Wissenschaft ein sozialer Prozess ist, wo Wissen ausgehandelt wird und dadurch Verlässlichkeit hergestellt wird, so Hendriks. "Nicht eine Person findet die Wahrheit, sondern viele Diskussionen untereinander zeichnen die Wissenschaft aus. Das muss man stärker hervorheben." Dazu gehöre auch Consensus Messaging, wie es in der Klimakrise gehandhabt wird, wo viele Wissenschaftler*innen an einem Strang ziehen und sagen, der Klimawandel sei menschengemacht. Solch gemeinsame Kommunikation habe positive Effekte auf das Vertrauen der Bevölkerung.

Eine wichtige, weil stark meinungsbildende Funktion hat der Wissenschaftsjournalismus, daher seien ausreichende Mittel dafür notwendig. Studien zeigen, dass das Ausspielen von Forschenden gegeneinander Skeptizismus erzeuge. Ebenso bewirkt eine False Balance Skepsis, also wenn nicht evidenzbasierte Minderheitenmeinungen unverhältnismäßig oft zu Wort kommen.

Gibt es im wissenschaftlichen Forschungsprozess noch unterschiedliche Blickwinkel, sollten diese Unsicherheiten offengelegt werden, betont Hendriks: "Wissenschaftler*innen fragen sich oft, ob sie sich trauen sollen, Für und Wider darzustellen. Oder ob sie lieber einfache Botschaften sagen sollen. Unsere Forschung zeigt, dass Menschen positiv bewerten, wenn Expert*innen Pro-und Contra-Argumente benennen, und auch, wenn sie ethische Aspekte diskutieren. Diese Offenheit zahlt auf die Integrität der wissenschaftlich tätigen Personen ein."

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