Agrarische Biomasse wie Stroh für den Süden statt Öl und Gas
In südlichen und östlichen Weltregionen wird Biomasse durch Kochen und Verbrennen auf Feldern vergeudet. Ein Projekt mit österreichischer Beteiligung versucht hier eine Alternative anzubieten
vom 26.10.2022
Die renommierte New York Times machte am 7. September des Jahres mit einem beinahe apokalyptischen Bild auf: In einem rumänischen Urwald, hektarweise kahlgeschlagen, liegen Baumstämme kreuz und quer herum, darunter ist zu lesen: "Europa opfert seine Urwälder, um daraus Energie zu gewinnen."
Bilder von brennenden und verwüsteten Urwäldern treffen uns mit emotionaler Wucht und lassen uns daran zweifeln, dass wir die jahrtausendealte Praxis der Bioenergienutzung weiter betreiben dürfen. Rationale Argumente kommen gegen diese Bilder kaum an. Da hilft es auch nicht, den Chefredakteur der New York Times darauf hinzuweisen, dass sein Titelfoto nicht die Holzernte in einem rumänischen Urwald zeigt, sondern die Folgen eines Sturmes. Die geknickten Bäume mussten nach dem Windwurf entfernt werden, weil sich sonst Schädlinge dort ausgebreitet und vermehrt und den intakten Urwald angegriffen hätten.
Der Zustand der Wälder ist weltweit höchst unterschiedlich. Werden bestimmte tropische Wälder niedergebrannt und in Rinderweiden oder Sojaplantagen umgewandelt, so nimmt die im europäischen Wald gespeicherte Biomasse seit dreißig Jahren jedes Jahr um rund 350 Millionen Kubikmeter zu. Im selben Zeitraum hat die Waldfläche Europas um zehn Prozent zugenommen, die Österreichs nimmt im Durchschnitt um sechs Hektar pro Tag zu. Solche Fakten sind bekannt und publiziert. Sie kollidieren aber offenbar emotional mit den Bildern von brennenden Wäldern und erzeugen eine schwer lösbare kognitive Dissonanz.
Im Umland zahlreicher afrikanischer Großstädte, in denen noch häufig traditionell mit Holzkohle gekocht wird, wird der Wald zur Holzkohleproduktion großflächig zerstört. In Uganda hat die Waldbedeckung zwischen 1990 und 2015 von 24 auf neuen Prozent abgenommen.
Zugleich wird in vielen Regionen Afrikas, Indiens und Chinas nach Ernten häufig das Stroh auf den Feldern verbrannt. So ist New Delhi dafür berüchtigt, dass wochenlang Rauchschwaden aus den Strohfeuern über der Stadt hängen und sich mit den Abgasen aus dem Autoverkehr zu einem Giftcocktail mischen. Allein in China fällt jährlich eine Milliarde Tonnen an Stroh an -und wird kaum genutzt.
Die Internationale Energieagentur (IEA) hat erhoben, dass vierzig Prozent der weltweit verwendeten Bioenergie im globalen Süden weitgehend nicht nachhaltig zum Kochen verbraucht wird. Etwa drei Milliarden Menschen sind davon abhängig. Die hohen Emissionen der meistens offenen Feuer, an denen gekocht wird, verursachen vier Millionen Todesfälle jährlich, denn ein offenes Kochfeuer hat einen Wirkungsgrad von lediglich zehn bis 15 Prozent. 85 bis neunzig Prozent der im Holz enthaltenen Energie werden dabei vergeudet. Die Holzkohleproduktion zum Kochen trägt wesentlich zur Entwaldung in der Nähe der Städte bei.
Dennoch ist die Bevölkerung in diesen Ländern nicht dazu verurteilt, auf teure fossile Energie wie Öl oder Flüssiggas umsteigen zu müssen. Die IEA sieht ein großes Potenzial in bisher kaum genutzten und allenfalls auf den Feldern verbrannten agrarischen Reststoffen wie Nuss-und Reisschalen, Stroh, Rückständen aus der Kaffee-und Zuckerproduktion usw. Diese Rückstände können beispielsweise pelletiert und als Brennstoffe in kleinen Vergaseröfen zum Kochen genutzt werden. Versuche zeigen, dass die Emissionen von Rauch, Kohlenmonoxid und anderen Schadstoffen damit um über 95 Prozent reduziert werden können.
Ein Projekt mit österreichischer Beteiligung optimierte einen Ofen, der in Kampala gebaut und mit Strohpellets betrieben werden kann. Gelingt es, dieses Projekt zu skalieren, können nicht nur die Bauern ein zusätzliches Einkommen aus einem bisher vergeudeten Abfall generieren, auch lokale Kleingewerbe könnten die optimierten Öfen herstellen und regional vertreiben.