TITELTHEMA

Aufklärung über Nachhaltigkeit

Das Klima ist an der Montanuniversität schon lange Thema. Zeit, dass alle von ihren Anstrengungen dafür erfahren

INTERVIEW: BRUNO JASCHKE
vom 05.07.2023

Helmut Antrekowisch ist Leiter der Nichteisenmetallurgie an der Montanuniversität Leoben. Seine Schwerpunkte sind Primärmetallurgie, Recycling und Werkstofftechnik von Nichteisenmetallen. Antrekowitsch wurde 2012 gemeinsam mit seinem Bruder Jürgen von der Presse zum "Österreicher des Jahres" in der Kategorie Forschung gewählt. Er erklärt, was diese Universität im Bereich Klimaschutz an Aktivitäten setzt.

Herr Antrekowitsch, seit wann nimmt das Thema Klima an der Montanuniversität einen prominenten Stellenwert ein?

Helmut Antrekowitsch: Seit über dreißig Jahren. Wir beschäftigen uns seit etwa 1990 intensiv mit Recycling, Energieeffizienz bei Herstellungsprozessen, Verringerung der Emissionswerte, Verwertung von Reststoffen, Abfallwirtschaft und Energietechnik. Wir bieten seit zehn Jahren ein Recyclingtechnikstudium an. Der Komplex Abfallwirtschaft ist bei uns seit 1992/93 ein großes Thema. Damals wurde das Studium des Industriellen Umweltschutzes eingerichtet. Es gibt mittlerweile kaum eine Studienrichtung in Leoben, die nicht starke Bezüge zum Thema Klimawandel hat. 2022 wurde das Studium Umwelt-und Klimaschutztechnik eingeführt. Ein Schwerpunkt bildet außerdem die Gewinnung und der Einsatz von Wasserstoff als Alternative zu fossilen Energieträgern etwa bei der Produktion von Metallen.

Wie passen Metalle mit Klimaschutz zusammen?

Antrekowitsch: Metalle sind für unseren Wohlstand, in allen Prozessen und für die Energietransformation, also einfach in allen Lebenslagen, notwendig. Ohne Metalle gibt es keinen Umwelt-und Klimaschutz. Beispielsweise werden Seltene Erden, Aluminium, Stahl und Edelmetalle für sämtliche nachhaltigen Technologien benötigt, also für Fotovoltaik, Windkraftanlagen, Elektrolysen zur Wasserstoffproduktion, Abgas-sowie Abwasserreinigungsanlagen und vieles andere mehr. Die gesamte derzeitige und künftige nachhaltige Entwicklung ist ohne Metalle undenkbar. Diese Zusammenhänge zu zeigen, ist Aufgabe der Universität in Leoben sowohl in Lehre und Forschung als auch bei der Kommunikation mit der Gesellschaft.

Sie kooperieren viel mit Schulen. In welcher Art?

Antrekowitsch: Meistens kommen die Schülerinnen und Schüler zu uns, um die Vielfalt der Technik und Wissenschaft zu erfahren, da dies an den Schulen selbst in größerem Umfang oft nicht möglich ist. Bei uns können sie auch Versuche durchführen. Die Universität verfügt über Pilotanlagen etwa im Abfallwirtschaftsbereich. Hier können wir die Trennung von Reststoffen, angefangen vom Hausmüll bis zu irgendwelchen Schrotten, ganz gezielt durchführen, um diese wieder aufzuarbeiten.

Versuchen Sie, Kinder aller Alters-und Schulstufen zu erreichen?

Antrekowitsch: Ja. Es ist ganz wichtig, bei den Jüngsten anzufangen, damit sie ein Bewusstsein für die Problematik entwickeln. Das zeigte sich schon Anfang der 1990er-Jahre, als es um Abfallwirtschaft und Mülltrennung gegangen ist und in Schulen und an Universitäten diese Thematik vorangetrieben wurde. Etwas provokant gesagt, haben dann oft die Kinder die Eltern zur Mülltrennung erzogen.

Richten Sie sich auch an die Bevölkerung?

Antrekowitsch: Ja, und das sollte in Zukunft noch stärker miteinander verschränkt werden: Schule -Universität - Kommune. Die Universität in Leoben wird in den nächsten Monaten eine Wasserstoffhalle errichten und einen Bereich schaffen, an dem wir Wasserstoff und Kohlenstoff gewinnen, übrigens ein kritisches Element in Europa, das wir importieren müssen, und die Bevölkerung dazu vor Ort informieren. Es werden Veranstaltungen stattfinden, an denen alle mitwirken können und erfahren, dass sie alle Teil der Lösung von Umweltproblemen sein können.

Wie groß ist in Österreich die Bereitschaft, das Klimathema in die Bildung zu integrieren?

Antrekowitsch: Ich glaube, sehr groß. Ich weiß, dass an den Schulen viel passiert, auch von Ministeriumsseite her gibt es Unterstützung. Das Bildungsministerium versucht, nachhaltige Themengebiete zu forcieren. Wir an der Universität Leoben beispielsweise sind Teil einer EU Knowledge Innovation Community, die sich mit der klimafreundlichen Gewinnung von Rohstoffen beschäftigt. Auch im Rahmen der Europäischen Universitäten, bei denen wir im Bereich Sustainable Consumption and Production den Vorsitz haben, steht die Nachhaltigkeit im Mittelpunkt der Bemühungen. Hier muss die Bevölkerung mitgenommen werden. Ich glaube, die Kinder und Jugendlichen sind sehr begeisterungsfähig und wollen auch selbst einen Beitrag leisten.

Sie arbeiten viel mit der Industrie zusammen. Die behauptet, in ihrem Umweltbewusstsein der Politik eklatant voraus zu sein.

Antrekowitsch: Es ist tatsächlich so. Teile der Industrie in Österreich leisten im Bereich Klimawandel und Energietransformation sowie bei der Nachhaltigkeit sehr viel. Gleichzeitig ist es aber auch von der Politik her notwendig, entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen vorzugeben. Auf dem Gebiet Wasserstoff, Fotovoltaik, energieeffiziente Produktion und vielen anderen passiert einiges. Daher ist es auch wichtig, dass Firmen, die in Nachhaltigkeit investieren und sich auch im Bereich der diesbezüglichen Bildung engagieren, entsprechend unterstützt werden, und nicht jene, die an veralteter Technologie festhalten. Auch die Banken drängen in Richtung Nachhaltigkeit, was sich in gestiegenen Krediten für klimarelevante Projekte zeigt.

Hat sich dieses Denken also auch bei den Banken durchgesetzt?

Antrekowitsch: Gerade dort, während es Teilen der Politik manchmal leider zu schnell geht. Das zeigt sich etwa bei der Elektromobilität, die, im Gesamten betrachtet, enorme Vorteile gegenüber den Verbrennungsmotoren besitzt. Hierbei sollten besonders die Themenbereiche Schadstoffe bei einer dezentralen Verbrennung sowie die strategische und damit politische Abhängigkeit von Erdöllieferländern betrachtet werden. Benzin und Diesel kann ich als Autobesitzer nicht selbst erzeugen, Strom schon!

Wie sehen Sie die Rolle der Medien?

Antrekowitsch: Als entscheidend. Wenn Klima-und Wissenschaftsthemen in den Medien fundiert gebracht würden, wäre das ein riesiger Schritt. In den Medien wird ja oft nur ein Teil dargestellt. Ein Beispiel: Wir brauchen sehr viel Energie für die Herstellung von Benzin und Diesel. Wenn bei der Elektromobilität gefragt wird, woher der Strom dafür kommen soll, so sollte auch gesagt werden, das dann große Mengen für die Produktion von Benzin und Diesel wegfallen. Weltweit werden etwa 25 Prozent des benötigten Wasserstoffs in Raffinerien verbraucht. Also für Benzin, Diesel etc. Das wird in den Diskussionen sehr häufig nicht berücksichtigt. Dasselbe gilt beim Recycling von Lithium-Ionen-Batterien. Da wird behauptet, sie könnten nicht recycelt werden. Selbstverständlich können sie. Doch zurzeit nicht in eigenen Werken, da die Mengen für einen wirtschaftlichen Betrieb noch zu gering sind. Das Recycling erfolgt noch meist in Unternehmen der Kupferindustrie. Genau mit solchen Zusammenhängen beschäftigen wir uns an der Universität in Leoben und möchten alle anderen Menschen dafür auch begeistern.

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