Kinder-Tipps fürs Wochenende
Gekürzte Version von Johanna Arrouas „La Cenerentola“. Als Erzählerin bringt sie die Geschichte dem jungen Publikum näher: ...
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Kind in Wien: Wie kann das Miteinander als Patchworkfamilie gut funktionieren?
Vivien Kain: Patchwork ist harte Arbeit! Diese darf wohl am ehesten gelingen, wenn die Erwartungen und Vorstellungen nicht zu überhöht sind, jede:r in dieser neu zusammengewürfelten Lebensgemeinschaft seinen Platz bzw. seine neue Rolle finden darf und dafür genügend Zeit erhält. Wer zu schnell auf Normalität drängt, überfordert damit häufig den/die Partner:in, die Kinder und auch sich selbst. In dem Prozess durchlebt jede neue Gemeinschaft in der Regel vier Phasen: anfangs lernt man sich kennen und beschnuppert sich, darauf darf und muss es Machtkämpfe und ein Gerangel um die Positionen geben dürfen, um anschließend Beruhigung in der neuen Rolle zu finden und am Ende im besten Fall in einer entspannteren Etablierung der Patchwork-Konstellation Platz zu landen.
Mag. pth. Vivien Kain
Psychotherapeutin in der Kinderarztpraxis Schumanngasse
KIWI-Expertin
Kind in Wien: Wie kann man das Kind dabei unterstützen, den Verlust des gewohnten Familienlebens zu verarbeiten und das neue Leben als Patchworkfamilie leichter zu akzeptieren?
Kain: Das ist abhängig vom entsprechenden Lebens- bzw. Entwicklungsalter des Kindes. Bei Kindern bis etwa drei Jahren ist die Hauptbezugsperson wichtig. Wenn das Kind nach der Trennung im Heim erster Ordnung bei dieser bleibt, kann es die Veränderung leichter mittragen. Im Kindergarten- und Vorschulalter dagegen brauchen die Kinder Zeit, um über die Trennung der Eltern trauern zu können.
Öfters gehen die Kinder leider davon aus, (Mit)-Schuld an der Trennung der Eltern zu haben und tragen diese Schuldgefühle häufig in die Patchworkfamilie und die Beziehung zum:r neuen Partner:in hinein. Emotionen wie Eifersucht, Wut und Ablehnung auf die Stieffamilie sind anfangs nicht selten. Der/Die neue Partner:in sollte bemüht sein, diese negativen Gefühle nicht auf sich zu beziehen, sondern sie als natürlichen Ausdruck in Bezug auf die Lebensveränderung und den Verlust des Kindes zu verstehen.
Kindern zwischen sechs und zwölf Jahren fällt es generell am schwersten, Stiefeltern zu akzeptieren. Sie befinden sich häufig in einem Loyalitätskonflikt. Wenn sie sich mit dem:r neuen Partner:in gut verstehen, kann es vorkommen, dass sie sich als Verräter:in der Mutter oder dem Vater gegenüber fühlen. Jugendliche können zwar häufig verstehen bzw. erfassen, warum es zur Trennung kam, plagen sich aber damit, den neuen Partner als Autorität zu akzeptieren.
Eine offene Kommunikation, in der alle Gefühle, auch die unangenehmen, Platz haben dürfen, ist essenziell. Die Emotionen des Kindes sind ernst zu nehmen, es darf die Zeit bekommen, die es benötigt. Es wird empfohlen, sich mit dem Einführen von Veränderungen Zeit zu lassen und diese schrittweise umzusetzen.
Wichtig ist, mit dem Kind über seine neue Rolle in der neuen Gemeinschaft zu reden, vor allem wenn z.B. ein Stiefgeschwisterchen dazu kommt oder ein neues Halbgeschwisterchen geboren wird. Das Einführen einer regelmäßig stattfindenden Familienkonferenz bzw. eines runden Tischs, bei dem jedes Familienmitglied über funktionierende und weniger funktionierende Aspekte des Familienlebens reden darf, entlastet. Konflikte lösen sich nicht von selbst, es darf und muss gemeinsam nach Lösungen gesucht werden.
Neue Rituale dürfen als Patchworkfamilie entwickelt werden. Auf diese Weise verhindert man, dass das Kind das Gefühl hat, als würde sich eine neue Person in das Vertraute/Bekannte hineindrängen. Dennoch sollte nicht auf liebgewonnene Rituale vergessen werden, die die Kinder mit ihren Eltern haben. Diese dürfen erhalten bleiben, um weiterhin das Gefühl von Verlässlichkeit zu erfahren.
Kommt ein neuer Partner in die Familie, müssen auch die Kompetenzen zwischen den Erwachsenen gut aufgeteilt werden. Versuchen Sie sich auf gemeinsame Regeln zu einigen, was zum Beispiel Ordnung, Haushalt, Verantwortungen betrifft und kommunizieren Sie diese im Vorfeld allen Familienmitgliedern.
Kind in Wien: Wie geht man damit um, wenn man durch Kinder des Partners Ablehnung erfährt?
Kain: Auch hier ist es wichtig, in Beziehung und einer respektvollen Kommunikation zu bleiben. Erkennen, dass die Kinder sich in einer neuen Familienkonstellation wiederfinden, zu der sie nie zugestimmt haben und nicht gefragt wurden, ist hilfreich. Kinder akzeptieren ihre neue Patchworkfamilie leichter, wenn man sie vor Loyalitätskonflikten schützt. Je konflikthafter und streitbesetzter sich die Beziehung der Eltern verhält, desto schwieriger wird es anfangs den/die neue:n Partner:in zu akzeptieren. Auch ist es notwendig klar anzusprechen, dass man als neue:r Partner:in vom Kind nicht erwartet, dessen Vertrauen auf Anhieb zu erhalten und auch das gemeinsame Zeit benötigt. Es macht Sinn, die neuen Beziehungen klar zu definieren und den Kindern klarzumachen, dass, der/die neue Partner:in den anderen Elternteil nie ersetzen oder ablösen wird. Es ist nicht hilfreich zu versuchen, der „bessere“ Papa oder die „bessere“ Mama zu sein. Sinnvoll ist auch, dass man es vor den Kindern möglichst vermeiden sollte, schlecht über den anderen Elternteil zu reden.
Eine Patchworkfamilie kann im besten Fall jede Menge Spaß machen! Kinder, die in weniger traditionellen Familienformen aufwachsen, sind mitunter eher in der Lage, flexibler auf Neues zu reagieren, sie gewinnen neue Freunde und Bezugspersonen fürs Leben, und machen die Erfahrung, wie wichtig und brauchbar es ist, Kompromisse schließen zu können.
Zum Schluss noch ein kleiner Tipp: hören Sie in den erfrischenden Patchwork-Podcast „Ein Viertel Mama, ein ganzer Papa“ rein.
Zum Thema Patchworkfamilie lesen Sie auch die FALTER-Artikel „Mama, Papa, Mamas Freund und seine Kinder“ von Gerlinde Pölsler und „Böse Stiefmutter?“ von Barbara Tóth (oder hören davon im FALTER-Radio).
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