Begegnung auf Schienen: "Abteil Nr. 6"
SABINA ZEITHAMMER
| 30.03.2022
Zigarettenrauch und Wodkadunst, das Odeur von sauren Gurken und Wurst, gemischt mit dem Aroma eines Zuges, in dem schon Tausende gereist sind: Geruchskino wünscht man sich im Fall von "Abteil Nr. 6" nicht. Während einer mehrtägigen Zugfahrt vom winterlichen Moskau ins eisige Murmansk treffen darin Ende der 1990er-Jahre zwei Fremde aufeinander, die Finnin Laura und der Russe Ljoha. Sie, die jahrtausendealte Felszeichnungen nahe Murmansk besichtigen will und die sterbende Liebe zu einer Russin zu verarbeiten hat, kann ihn, einen trinkfreudigen, machohaften Bergarbeiter, auf Anhieb nicht leiden. Zusammengepfercht in einem Abteil merken sie aber: Langsam wochs ma z'amm - unsere erwachsenen Ichs, die wir selbst nicht so genau kennen, oder auch nur unsere inneren Kinder, die echt ganz schön einsam sind.
Inspiriert von Rosa Liksoms gleichnamigem Roman, erzählt Juho Kuosmanen in seinem launigen, rauen, leicht verkanteten Roadmovie vom Hineingeworfensein ins Leben, vom Streben, Loslassen und der Erkenntnis, dass ein wenig Gesellschaft und Spaß in dem ganzen Chaos vielleicht schon alles ist, was man verlangen kann. Grundsätzlich fein gelungen, nur das Klischee des Helden -Ljoha als Beschützer, als Erfüller von Lauras Wünschen - kann nerven.
Ab Fr in den Kinos (OmU im Filmcasino)