Nehammer und Kindergeburtstage bei McDonald’s - FALTER.maily #1202
Diesen Sommer las ich im Urlaub "Jahre mit Martha" von Martin Kordic. Etwa in der Mitte des Buches erinnert sich die Romanfigur Zeljko, ...
Sebastian Kurz ist ein genügsamer Mensch. Das bisschen Luxus, das er sich gönnt, nämlich nicht mit Peter Pilz zu diskutieren, die Falter-Journalistin Barbara Tóth nicht zur Pressekonferenz einzuladen und sie, wenn sie doch kommt, wegzuschicken – das ist Bescheidenheit pur. Nur Herbert Kickl, der FPÖ-Gottseibeiuns, mit dem Kurz niemals eine Regierung bilden würde, hat einen ähnlich luxuriösen Geschmack. Kickl sperrte seinerzeit als einzige Journalistin Nina Horaczek vom Falter aus dem Nachwahl-Festzelt der FPÖ in Wien aus. Die Begründung der ungleichen Herren klingt gleich: Wir können uns aussuchen, wen wir einladen.
Gewiss doch. Das exklusive Vergnügen der beiden Leider-Ex-Regierungskollegen stellt keinen Straftatbestand dar, keine direkte Beschränkung der Pressefreiheit, greift aber dann doch in diese ein. Informationen nach Gutsherrenart ungleich zu verteilen ist eines Demokraten unwürdig. Vor allem, wenn es, wie Sebastian Kurz beteuert, um einen Anschlag auf die Fundamente der Demokratie geht.
Die Hackerattacke auf den Server der ÖVP in Wahlzeiten war ein solcher Anschlag. Volle Aufklärung ist unumgänglich. Wir denken keine Sekunde, dass die Pressekonferenz davon ablenken sollte, dass der Falter über eine Menge Daten aus dem Inneren der ÖVP verfügt, die zeigen, dass die ÖVP die Fundamente der Demokratie angreift, indem sie versucht, mehr Geld auszugeben, als sie öffentlich behauptet, und damit die Wahl zu ihren Gunsten unfair zu beeinflussen. Oder gar, dass uns die ÖVP einschüchtern oder am Ende klagen will.
Die Hacker, heißt es, hätten die Möglichkeit gehabt, Daten zu fälschen. Dass sie es getan haben, wird nicht behauptet. Dass der Falter Opfer einer solchen Fälschung geworden wäre, schließen wir aus. Mehr echte ÖVP-Files in unserer nächsten Ausgabe.
Ihr Armin Thurnher
Ein P.S. in eigener Sache: Den Ausschluss und die Wegweisung von Barbara Tóth aus der ÖVP-Zentrale begründete Kurz später damit, es seien nur tagesaktuelle Medien eingeladen worden. FALTER.maily nimmt das persönlich: ausgerechnet an diesem Tag, nämlich gestern, hatte Barbara Tóth unseren tagesaktuellen Newsletter verfasst.
Ich bin jetzt schon debattenmüde. Heilung kommt aus England. Auf BBC konnte man live die Demontage des Boris Johnson im Parlament verfolgen. Wie er seinen Kontrahenten als feiges Chlorhuhn beschimpfte und dieser so ruhig blieb, dass der BBC-Live-Kommentator konstatierte, nie sei Jeremy Corbyn so staatsmännisch erschienen: Das hat auch im Niedergang noch Stil. Großen, demokratischen Stil.
Peter Filzmaier. Früher konnte ich dem Politikprofessor und ORF-Kommentator nicht zuhören, weil ich beim Versuch, zu erraten, wann er Luft schöpfte, in Atemnot geriet. Jetzt habe ich das überwunden und muss sagen, seine Kombination aus Fakten und zynischem Humor ist der politischen Lage angemessen. Kein Wunder, dass dieser Kommentator höhere Einschaltquoten hat als die Debatten, die er bewertet.
Im Netz kursieren Tabellen, die zeigen, wie viele öffentliche Inserate im Falter in den vergangenen sieben Jahren erschienen. Es fehlt erstens meist der Hinweis, dass der Falter nur einen Bruchteil dessen erhielt, was Medien wie Heute, Kronen Zeitung und oe24 bekommen. Und zweitens, dass der Falter zum überwiegenden Teil aus privaten Anzeigen und zunehmend mehr durch Abonnement und Verkauf finanziert wird.
Echt? Ich empfehle die Krone? Ja! Dieser Bericht enthält genügend Hinweise, die Ihnen helfen, sich Ihre Meinung zu bilden. Etwa die Hinweise auf Kollegen Klenks Facebook-Seite und den ausgezeichneten Falter-Radio-Podcast zum Thema. War gar nicht schwer!
Genau, dann darf der Kurier nicht fehlen. Er berichtet über die neue, hyperkritische Sebastian-Kurz-Bio in Form eines Interviews mit der Autorin Judith Grohmann.
Kurier: Sie spannen einen sehr weiten Bogen von der Kindheit bis zum jetzigen Wahlkampf. Was hat Sie an Kurz am meisten überrascht?
Grohmann:
Beim Fotoshooting für das Buch-Cover hat er ständig versucht, mich zum Lachen zu bringen. Seine Mutter hat recht: Er ist ein liebenswürdiger Schlingel.
Wusst' ich's doch. In meinem Falter-Kommentar diese Woche nannte ich Sebastian Kurz ein Schlaucherl. Nur ein Eigenschaftswort habe ich mir verkniffen.
Es wird ein geruhsamer Politik-Fernseh-Freitag: Um 20.15 Uhr gibt es auf ORF 3 die so genannte "Wochenanalyse" mit Reiner Reitsamer. Sophie Karmasin, Meinungsforscherin und Ex-Ministerin, wird Umfragen präsentieren.
Zum Wochenausklang: Auf ARD-alpha gibt es ab 21.50 Uhr zwei folgen der Sitcom "Yes, Prime Minister" ausgestrahlt. Sehr lustig!