It's the bribery, stupid! - FALTER.maily #1055
Ich würde meinen, wir müssen die Geschichte über Sebastian Kurz fabelhaften Aufstieg zum ÖVP-Chef und Kanzler grundsätzlich ...
wir sind des Längeren schon Zeugen von etwas, das man die Verrotzbubung der Weltpolitik nennen könnte. Donald Trump ist ein verzogener Lauser, der dem türkischen Präsidenten kindische Drohbriefe schreibt, während er die Kurden verrät. Dieser, selbst ein Früchtchen besonderer Art, lässt uns wissen, solche Briefe werfe er gleich in den Papierkorb. Die Äußerungen dieser Herren werden durch die vergleichsweise soignierten Ladies und Gentlemen, die darüber berichten, auf ein erträgliches Maß abgemildert. Wir erfahren vermutlich nur die Hälfte dessen, was sie wirklich sagen.
Der dritte Rotzlöffel ist Boris Johnson. Der britische Prime Minister hat im Parlament noch keine einzige Abstimmung gewonnen. Erwartungsgemäß wurde ihm auch sein neu ausgehandelter New Brexit-Deal, der nur ein Old Deal mit spärlichen Veränderungen ist, vom Parlament um die Ohren gehauen, pikanterweise auf Antrag eines seiner eigenen Tory-Abgeordneten, der sicher gehen wollte, dass der böse in Eton erzogene Bube nicht per schmutzigem Trick einen No-Deal Brexit erschummeln würde.
Johnson, ein bekannter Freund der Wahrheit, hatte ja beteuert, niemals würde er Grenzkontrollen in der Irischen See zustimmen. Was stand in seinem "New Deal" als markanteste Veränderung? Genau. Grenzkontrollen in der Irischen See. Das neueste Lausbubenstück: Nach der Niederlage versicherte Johnson den Parlamentariern, er werde nicht mit Brüssel über eine Verschiebung des Austrittsdatums verhandeln. War auch nicht notwendig. Das Gesetz zwang ihn nicht, zu verhandeln, sondern nur, einen Brief abzuschicken, in dem er um Aufschub bat. Unnötig zu ergänzen, dass er geschworen hatte, das niemals zu tun.
So schrieb Johnson den Brief, unterschrieb ihn aber nicht. "I did not have postal relations with that union", hätte Bill Clinton gesagt. Vielmehr legte Bube Boris das Gesetz bei, das ihn zum Briefschrieben zwang, und einen zweiten Brief, in dem er beteuerte, er wolle das alles nicht. Hat er solche Mätzchen auf der Nobelschule Eton gelernt oder wäre er mit so etwas von dort geflogen?
Egal. Hinter den Lausern ohne Manieren stehen meist Fädenzieher mit zweifelhaften Zielen, von denen die Bubenstücke an der Front nur ablenken. Im Fall Johnsons ist das Dominic Cummings, Oxford-Absolvent und Berater, das Hirn der Leave-Kampagne.
Ihn treibt die Anbetung einer Ideologie, die man Solutionism nennt, der Glaube daran, dass politische Probleme am besten durch Kommunikationstechnik zu lösen sind. Abwägende Prozesse, mühsame Debatten, Brüsseler Beamte und andere demokratische Mätzchen stören dabei nur und sind zu beseitigen oder auszutricksen. Eine "anti-politische, ultra-technokratische Elite" soll effizient regieren.
Ähnlichkeiten mit hiesigen Personen und Umständen sind deswegen ausgeschlossen, weil bei uns keine Lauser an der Spitze stehen, sondern schlingelhafte Schwiegersöhne. Auch damit kann man von den Cognitive Technologies im Hintergrund ganz gut ablenken.
Ich wünsche Ihnen eine geradlinige Woche,
Ihr Armin Thurnher
Die Presse berichtete vom Auftreten der Verhandlungsteams: "Sebastian Kurz und sein Verhandlungsteam in Sternformation … ganz hinten dann Stefan Steiner, der Kurz-Berater, auf Krücken. Eine Sportverletzung, heißt es … Fast alle haben blaue Mappen dabei, fast alle lächeln. Nur Gernot Blümel nicht." – "Hier kommt die nächste Formation, ebenfalls sternartig, ein bisschen schlampiger vielleicht - und mit roten Mappen. Vorneweg geht Parteichefin Pamela Rendi-Wagner, links außen Doris Bures …" Das ist nicht übel, geht aber zu wenig weit. Wie legten sie die Raute im Mittelfeld an, kamen sie konsequent genug über außen, war ihr 3-5-2 vielleicht doch eher ein 7-1-1-1, spielten sie steil-klatsch-steil, wie man neuerdings sagt? Und haben sie den Videobeweis gebraucht?
Die SPÖ hat ein neues Motto: Macht kaputt, was euch kaputtmacht, aber fangt damit bei euch selbst an! Offenbar informierte der neu ernannte Bundesgeschäftsführer den Bundesvorstand der SPÖ falsch über einen angeblichen Beratervertrag seines Amtsvorgängers. Die Fehlinformation wurde prompt an Österreichs seriöseste Tageszeitung geleakt, die ohne störende Rückfrage beim Betroffenen berichtete. Von der Parteivorsitzenden hat man bisher nichts dazu gehört. Sie hängt vermutlich der Ansicht an, dass ein Neuaufbau erst nach einem Totalkollaps möglich ist.
André Heller hat vor zweieinhalb Jahren für seine Serie "Menschenkinder" ein Gespräch mit mir geführt, das der ORF in seiner Weisheit vergangene Woche tatsächlich sendete (ORF III, Do, 22:50 Uhr). Man kann es noch drei Tage in der ORF-Mediathek sehen.
Am Mittwoch habe ich die Ehre, in Freistadt im Rahmen der Literaturtage Freistadt aus meinem Buch Seinesgleichen (Falter Verlag) zu lesen. Davon wird nichts im TV oder sonstwo übertragen, umso mehr freue ich mich auf den Abend im Kino Freistadt.