Zur Hölle! - FALTER.maily #60

Stefanie Panzenböck
Versendet am 07.11.2019

Es ist Buchmessenzeit. Die Frankfurter Buchmesse schloss ihre Tore am 20. Oktober, die Buch Wien öffnete die ihren gestern Abend. Zehntausende Neuerscheinungen kommen jedes Jahr allein in Österreich und Deutschland auf den Markt, tausende Menschen drängen sich zwischen den Ständen der vielen Verlage und scharen sich um das Medium Buch. Schriftstellerinnen und Schriftsteller werden prämiert, Peter Handke mit dem Nobelpreis für Literatur, Saša Stanišić mit dem Deutschen Buchpreis, Norbert Gstrein mit dem österreichischen. Um die ersten beiden entbrannte eine Debatte über Literatur, Moral und Politik. Das Buch im Mittelpunkt der Gesellschaft – ein schöner Anblick.

Doch auch der Buchmarkt ist am Ende ein Markt, auf dem gerangelt, geschrien und gefeilscht wird. Also wollen wir ihn kurz verlassen und uns in Ruhe dem widmen, was er in den letzten Jahrhunderten übrig gelassen hat. Das ist zugegebenermaßen eine ganze Menge. Aber wie wäre es zum Beispiel mit Dante Alighieris "Commedia", die Anfang des 14. Jahrhunderts entstand? Wer zum ersten Mal mit Vergil und Dante in die Finsternis hinabsteigt ist überwältigt von der Macht der Sprache, die diese unglaublichen Qualen der Hölle zu beschreiben vermag und weiß, dass diese Begegnung mit den beiden Dichtern nicht die letzte war.

Oder denken wir an ein anderes existentielles Werk der Weltliteratur, "Il Decamerone", das Giovanni Boccaccio in den Jahren um 1350 verfasste. Der Rahmen: Zehn Menschen, die vor der Pestepidemie geflohen sind, erzählen in einem Landhaus in der Nähe von Florenz jeweils zehn Geschichten. Sie bauen aus ihnen einen literarischen Zufluchtsort, dessen Tür man gern von innen abschließt. Muss man ihn wieder verlassen, freut man sich in der Sekunde auf den Moment des Wiedersehens.

Doch auch im Trubel hat das Denken Zeit. Falter-Herausgeber Armin Thurnher eröffnete gestern die Buch Wien mit einer Rede über die Krise der Kommunikation. Sie können sie auf FALTER.TV nachhören.

Ihre Stefanie Panzenböck


Zum Schaün

Der expressivste Expressionist: Richard Gerstl im Leopold Museum


Zum Hören

Hat Sie nach Gerhard Stögers Interview im aktuellen Falter mit dem zweiten S von STS – Schiffkowitz – auch die Nostalgie gepackt? Dann ist das Album "Grenzenlos" aus dem Jahr 1985 eine gute Empfehlung. Oder Sie gehen am 20. November ins Porgy & Bess. Da tritt Schiffkowitz mit dem Pianisten Markus Schirmer auf.


Noch Ein Hinweis

Alles reden über Türkisgrün, wir fragen nach den Optionen der SPÖ in der neuen Situation in Österreich. Welche Chancen haben die sozialdemokratischen Parteien in Europa ihren Niedergang aufzuhalten? Abstimmungen aller Mitglieder über die Parteiführung, wie in Deutschland oder Italien, können ein Ausweg sein, argumentiert die Vorsitzende der Sozialistischen Jugend und Nationalratsabgeordnete Julia Herr. In der Klimapolitik kann sich die SJ-Chefin sogar Verstaatlichungen vorstellen, um der Profitlogik zu entkommen. Vorvorgänger und Ex-Rebell Josef Cap bleibt skeptisch. Kontroversielles mit den Journalisten Anneliese Rohrer (Die Presse) und Raimund Löw. Zu hören im Falter Radio und ab heute Abend auch zu sehen, im Wiener TV-Sender W24 sowie morgen im Falter TV.


Das FALTER-Abo bekommen Sie hier am schnellsten: falter.at/abo
Wenn Ihnen dieser Newsletter weitergeleitet wurde und er Ihnen gefällt, können Sie ihn hier abonnieren.
Weitere Ausgaben:
Alle FALTER.maily-Ausgaben finden Sie in der Übersicht.

12 Wochen FALTER um 2,17 € pro Ausgabe
Kritischer und unabhängiger Journalismus kostet Geld. Unterstützen Sie uns mit einem Abonnement!