Die den Unmutskreditrahmen überzogen

Armin Thurnher
Versendet am 18.11.2019

manche reiben sich die Augen, andere haben es immer schon gewusst. Die neue Politik war die alte Politik, und immer, wenn uns eine ganz andere Politik versprochen wird, ist besondere Wachsamkeit am Platz. Das Parteibuchregime der weiland großen Koalition aus SPÖ und ÖVP, die jahrzehntelang Österreich beherrschten und vom Konsum bis zur niederösterreichischen  Putzfrau, von der Nationalbank bis zum Landesschulrat Posten nach Parteibuch vergaben, bildete jene Unmutsbank, aus der Jörg Haider seinen Stimmenkredit schöpfte.

Der Unmut über ein System von Klientelismus, das individueller Tüchtigkeit hohnsprach, kam dem Gefühl der meisten entgegen, unter ihrem Wert und unter ihren Fähigkeiten geschlagen zu werden. Jetzt waren da welche, die endlich der schieren Tüchtigkeit frei Bahn schufen. Wenn sie einmal regierten, war Schluss mit der Freunderlwirtschaft, dann würde nur mehr Leistung zählen.

Aufgrund ihrer angestammten moralischen Überlegenheit würden diese Leute für Korruption aller Art unempfänglich sein und endlich jenen eine Chance geben, denen es zu blöd oder zu minder war, ihre Karriere auf ein Parteibuch statt auf eigenes Können zu stützen.

Dann kamen die Kabinette Schüssel I und Schüssel II, und die Versprechen brachen in sich zusammen wie die Börsenkurse am Schwarzen Freitag. Dummheit und Borniertheit paarten sich  mit Affären und Skandalen. Es gab nur einen Unterschied zum ewigen Rotschwarz: die Interventionsversuche fielen plumper aus, des Skandale waren durchsichtiger, die Gier zum Greifen transparent. Bald hatte Haider sein Unmutskreditkonto überzogen.

Nach einem rot-schwarzen Intermezzo, das uns diesbezüglich knapp hielt, kehrten sie zurück. Heinz Christian Strache hieß nun der Chef der Unmutsbank. Und wieder machten sie bankrott, wieder wurden sie erwischt, wieder sprengten sie die Koalition, und wieder intervenierten sie zu ihrem Vorteil oder dem ihrer Partner so plump, wie sich das maximal der kleine Maxi vorstellte.

Die Chat-Protokolle des Ex-Vizekanzlers und anderer belasten nicht nur die FPÖ, sondern auch die ÖVP schwer, vor allem Finanzminister Löger. Florian Klenk hat die Geschichte dieser neuesten Interventionen aufgeschrieben, erklärt und mit neuen Fakten versehen. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautet nicht nur auf Postenschacher, sondern auf Bestechlichkeit. Warum das so ist, erklärt Klenk im kommenden Falter in einer großen Geschichte. Wer ein Falter-Abo hat, hat es besser, er kann die Geschichte schon jetzt lesen.

Ihr Armin Thurnher


Mit Wem Wir Rechnen Müssen

Leichtfüßig, elegant, vielseitig. Essayist, Poet, eingreifender Kommentator. Gründete Kursbuch Transatlantik und die andere Bibliothek. Jeder Journalist sollte seine Medientexte kennen, am besten den legendären Essay über die Sprache des Spiegel. Heute wird Hans Magnus Enzensberger 90 https://www.sueddeutsche.de/kultur/hans-magnus-enzensberger-90-1.4675412


Hero Des Tages

Gern hätten wir hier berichtet, dass Dominik Thiem der derzeit beste Tennisspieler der Welt ist. Vielleicht ist er das auch. Aber am Sonntag war der Heros, der ihn besiegte, ein Grieche, Stefanos Tsitsipas. Das Match war episch. Da kann man nur gratulieren.


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