Vom Striezel zur Katastrophe und zurück - FALTER.maily #1198
Ich habe mir angewöhnt, meine Sonntage mit einem selbstgemachtem Striezel zu begrüßen.Nicht schlecht für den ersten Satz eines ...
welches dieser Themen wird uns nächste Woche stärker beschäftigen, welches sorgt dafür, dass uns der Unmut nicht ausgeht? Wird es die Sozialdemokratie sein, die seit Jahr und Tag nicht zu verstehen scheint, wie zeitgemäße Kommunikation funktioniert? Denn es ist angeblich nicht das Fehlen politischer Substanz oder geeigneter Personen, die sie von einem Malheur ins nächste taumeln lässt, sondern die Unfähigkeit „unsere Themen richtig zu kommunizieren“.
Oder wird es die FPÖ sein? Richtig kommunizieren konnte sie bis dato, aber ihr Missgeschick namens Strache zeigt geradezu überlebensgroß die Gefahren des anderen, des sozialmedialen Kommunizierens: man setzt auf alles, was im Lehrbuch steht, Person, algorithmisch angeheizten Konflikt, Denunziation und Diffamierung. Und dann richtet sich all das gegen einen selbst, weil das Investment in die Person sich als uneinbringlicher Kredit darstellte, weil Meister Proper plötzlich maximal schmutzte.
Werden es die Grünen sein? Sie zeigen, wie es gehen kann. Man muss vorsichtig bei der Formulierung sein, aber die Disziplin ihrer Kader ist mehr als beachtlich. Scheint fast, als hätten sie bei der ÖVP ihre Lektion gelernt und würden sich daran halten. Es gibt zwar viele beachtenswerte Menschen bei den Grünen, aber beachtet wird derzeit nur eine, nämlich der Boss Werner Kogler. In Deutschland geht das nicht so einfach, aber das Prinzip Spitzenkandidatendisziplin funktioniert auch dort. Der Lohn: sie sind hinter der CDU mit mehr als 20 Prozent auf Platz zwei, nicht weit hinter der CDU, weit vor SPD und AfD. Vor zwei Jahren lagen sie noch bei sieben Prozent.
Der Schweigemeister der Nation ist – Land der Paradoxe – auch ihr Kommunikationskönig: King Sebastian legt in dem Umfragen immerzu zu, ob es lögert im Quid-pro-quo-System, ob die Klimapolitik verköstingert oder gar der König selbst von der Casino-Affäre wusste oder nicht. Das ist dem Publikum egal, solange die Kommunikation klappt.
Müssten nicht wir, das Publikum, uns die Frage stellen, ob das wirklich alles ist? Sind nicht wir, die Wählerinnen und Wähler, das andere Ende der Kommunikation? Die, mit denen kommuniziert wird? Oder wird längst nicht mehr kommuniziert, sondern es geschieht etwas anderes mit uns?
Mit diesem Rätsel entlasse ich Sie – ja genau, per Mail – aber nur in die junge Woche,
Ihr Armin Thurnher
Heute abend diskutiert der streitbare Richter Oliver Scheiber mit Falter-Chefredakteur Florian Klenk und dem Publikum über sein neues, im Falter-Verlag erschienenes Buch "Mut zum Recht" - 230 Seiten Gedanken zur Justiz und Vorschläge für eine Modernisierung des Rechtsstaats, ab sofort bestellbar: https://shop.falter.at/mut-zum-recht.html. Kollege Klenk hat Scheiber auch für den letzten Falter interviewt, das können Sie hier nachlesen.
Wien 1, Bartensteingasse 9, 18.30 Uhr
Tode, die wir kaum bemerken. Am 24. November starb Clive James, in England lebender australischer Kritiker, Dichter, Schriftsteller. Man nannte ihn den "Mozart der TV-Kritik". Er verehrte Philip Larkin, einen wegen rassistischer Aussprüche später fast verfemten großen Dichter und sagte über ihn, die englische Literatur leide ohnehin an einem Mangel an Bastarden. Nur eine Zeile aus einem Gedicht von James, die ich mir gemerkt habe: "It didn’t sound like poetry one bit / except for being absolutely it." Die Aufmachergeschichte im Feuilleton des kommenden Falter wird sich übrigens im großen Maßstab mit der Frage Kunst und Moral beschäftigen.
Raimund Löw, der König des österreichischen Podcast, teilt stolz mit: "Falter-Radio hatte im November so viele Podcast-Downloads wie noch nie, selbst im Ibiza-Monat nicht!" Sie könnten also genauso gut der neuesten Sendung über die in Wien angekommene Central European University Ihr Ohr leihen: falter.at/falter/radio #FALTERRadio
Beim Mediengipfel in Lech war Florian Klenk zu Gast, dort wurde er von Stipendiatinnen der Medienakademie zum Thema investigativer Journalismus in Österreich befragt. Das Video und den Beitrag können Sie hier sehen und, oder lesen.