Wie sich die Justiz vor der Presse schützt - FALTER.maily #1046
14 Jahre ist es nun schon her, dass mir ein Informant einen großen Billa-Sack mit Dokumenten aus der Weisungsabteilung des Justizministeriums ...
haben Sie schon über eine Weihnachtsspende nachgedacht? Die Falter Community unterstützt seit Jahren das Wiener Integrationshaus mit der Aktion „Hilfe, Geschenke“. Vom Sänger und Menschenrechtsaktivisten Willi Resetarits, alias Ostbahn Kurti, vor 25 Jahren gegründet, ist das Integrationshaus ein Signal der solidarischen Zivilgesellschaft in Österreich. Anfangs wurden Unterkünfte für Bosnien-Flüchtlinge eingerichtet. In der Zwischenzeit gibt es vom Kindergarten bis zur Rechtsberatung vielfältige Aktivitäten.
„Hilfe, Geschenke“ funktioniert so: Firmen haben Geschenke zur Verfügung gestellt. Mit einer oder mehrerer Spenden á 10 Euro wetten Sie darauf, eines oder mehrere dieser Geschenke zu gewinnen. Alle Details finden Sie auf der Internetseite: www.hilfegeschenke.at. Der Erlös geht dieses Jahr an die Rechtsberatung des Integrationshauses. Sie wird immer wichtiger, weil die frühere türkis-blaue Regierung die Flüchtlingsberatung nur mehr von Innenministerium organisiert haben will und NGOs ausgelagert hat.
Im heutigen Falter Podcast zur Spendenaktion „Hilfe, Geschenke“ sinniert Resetarits über das unfreundliche Erbe von Türkis-Blau. Integrationshaus-Geschäftsführerin Andrea Eraslan-Weninger berichtet über aktuelle Herausforderungen bei der Flüchtlingsbetreuung und Falter-Geschäftsführer Siegmar Schlager erklärt das langjährige Engagement des Falter.
Weil wir die österreichische Innenpolitik nicht ganz auslassen können, haben wir für den heutigen Podcast zwei Nationalratsabgeordnete gebeten, die Stimmung gegenüber Flüchtlingen und dem Engagement der Zivilgesellschaft zu beurteilen: die grüne Neoabgeordnete Sibylle Hamann und ÖVP-Abgeordneten Martin Engelberg. Es gab klare Unterschiede in den Positionen, logisch, Koalitionsverhandlungen hin oder her. Beide Politiker, Hamann und Engelberg, sind in die Verhandlungen eingebunden. Meine Schlussfolgerung nach allen Gesprächen im On und im Off, nicht nur am Podcast-Tisch: es gibt inzwischen so viel weniger an staatlich geförderter Xenophobie als vor zwölf Monaten, dass man nur von einem guten Jahr 2019 für Österreich sprechen kann.
Wem wir das zu verdanken haben? Unter anderem einer Person, deren Namen wir nicht kennen und von der diese Woche erstmals ein verpixeltes Foto zu sehen war: der angeblichen Oligarchentochter des Ibiza-Videos, die ihre Rolle so gut gespielt hat, dass eine unter Türkis-Blau errichtete Scheinwelt zusammen gebrochen ist.
Mit herzlichen Grüßen und Wünschen für einen guten Tag,
Ihr Raimund Löw
Belgien: Land ohne Regierung. Wem die Aussicht auf österreichische Regierungsverhandlungen bis ins nächste Jahr Sorgen bereitet, dem sei ein Blick nach Belgien empfohlen. Seit den Parlamentswahlen am 26. Mai amtiert in Brüssel ein geschäftsführendes Kabinett. Regierungschef Charles Michel, ein Liberaler, ist den Belgiern jetzt abhanden gekommen. Michel übernahm am 1. Dezember den Posten des Ratsvorsitzenden der Europäischen Union. Die Regierungsbildung versucht zur Zeit als „Informateur“ der Sozialist Paul Magnette. Zehn Parteien sind involviert. Zwischen den beiden größten Parteien, den frankophonen Sozialisten und den flämischen Nationalalkonservativen, liegt ein Grand Canyon an Differenzen, heißt es in der Presse. Spätestens am 9. Dezember muss der Sozialist dem König berichten. Solange Regionen mit ihrer starken Autonomie funktionieren und die EU sich um die großen Fragen kümmert, ist nach sechs regierungslosen Monaten niemand übermäßig beunruhigt.
Journalismus im digitalen Zeitalter. Florian Klenk, der gerade mit Enthüllungen zum Europfighter-Bestechnungsaffäre aufwartet, bekommt Konkurrenz, genauso andere Investigativjournalisten. Und zwar von Kollegen in London, die keine Informanten brauchen und die ihren Schreibtisch samt Laptop nie verlassen. Wie die britische Mediengruppe Bellingcat mit Internet-Knowhow weltweit den investigativen Journalismus auf den Kopf stellt, beeindruckt die New York Times. Weil sie mit Internettools extrem gut umgehen können, finden die Journalisten von Bellingcat aus Videos und Fotos aus dem offenen Internet mehr heraus als mancher Geheimdienst. Sie haben Verdächtige für den Mord am saudischen Journalisten Jamal Kashoggi identifiziert und Giftgas in Syrien nachgewiesen - alles via Fotorecherchen im Internet. Faszinierend.
Keine Flacherdler in Austria, dafür HC Strache. Wie skurill ist es, dass bei so vielen in Österreich Heinz-Christian Strache immer noch ein Held ist? Das hängt mit der Strahlkraft von Verschwörungstheorien zusammen. Der Chefredakteur von Libération, Laurent Joffrin, hat im Zusammenhang mit der politischen Situation in Frankreich in seinem Newsletter kürzlich auf eine Weltorganisation aufmerksam gemacht, von der ich noch nie habe: die Flat Earth Society. Die Anhänger der Flacherde-Bewegung sind der Überzeugung, dass die Vorstellung von der Erde als Globus, also als Erdball, eine Verschwörung der gottlosen Eliten ist. Es gibt in vielen Staaten Zweigstellen der Flacherdler. Vor wenigen Wochen hatte die Flache-Erde-Bewegung in Rio de Janeiro ihren Weltkongress abgehalten. Sieben Prozent der Brasilianer glauben, dass die Erde eine Scheibe sei. Die Flacherde-Bewegung hat sogar einen Korrespondenten der Hamburger Illustrierten Stern zur Recherche veranlasst. Flacherdler in Österreich kennt Google nicht. Glücklicherweise. Uns reicht Ibiza.
Gestern ist uns tatsächlich bei einem Hinweis auf unser eigenes Produkt ein Fehler unterlaufen. Der Satz über unseren Faltershop lautet so korrekt: "Bei uns können Sie nicht nur mit gutem Gewissen, sondern bis 31. Dezember 2019 auch portofrei bestellen." Selbstverständlich können Sie uns auch im neuen Jahr noch bestellen. Danke an Barbara Prem und Christa Thurnher für den Hinweis!