Aus dem Leben eines Kritikers - FALTER.maily #1045
Übermorgen erscheint die nächste Ausgabe der FALTER-Buchbeilage. Gerlinde Pölsler (Sachbuch), Kirstin Breitenfellner (Kinderbuch) und ...
vom Weihnachtstag bis Silvester, über die Klänge von Pummerin und Tritsch-Tratsch-Polka hinaus, hat das Land Ministerbingo gespielt. Am gestrigen Abend haben sich Sebastian Kurz und Werner Kogler dann vor die Kameras gestellt und die frohe Botschaft verkündet: Es gibt eine Regierungsvereinbarung.
Wie diese neben den ganzen Namen inhaltlich ausschauen soll, will die neue Regierungsspitze heute präsentieren.
Asyl, Arbeitsmarkt, Wirtschaft vs. Klimawandel, das sind die Sprengbomben von Türkis-Grün. Was ist aber eigentlich mit der Digitalisierung? Diese hat keine bescheidene Wirkungsmacht – national und überhaupt. Der türkis-blauen Regierung ist dazu abgesehen einer schmalspurigen Startup-Agenda wenig eingefallen.
Doch es reicht nicht, jungen, savvy Entrepreneurs unter die Arme zu greifen. Es geht um Datenschutz, um Künstliche Intelligenz, um biometrische Erkennungsdienste. Und über allem steht die 5G-Technologie, das superleistungsstarke Internet, ein Internet auf Speed. Im 5G-Netz werden wir nicht nur überall Netflix-Streamen können, sondern werden Maschinen in der Industrie selbstständig miteinander kommunizieren, und Sicherheitsschleusen in Kraftwerken. In diesem Netz wird das autonome Fahren Alltag. 5G, das wird die kritischste aller kritischen Infrastrukturen.
Doch wer soll die Bauteile dafür liefern? Sollen chinesische Konzerne wie Huawei und ZTE zum Zug kommen dürfen? Dass Huawei bei den Netzausrüstern Marktführer ist, spricht für das Unternehmen. Dagegen spricht, dass die kommunistische Partei in Peking chinesische Konzerne als verlängerten politischen Arm einzusetzen weiß. Kritiker warnen zudem davor, dass chinesisches Equipment als Spionagewerkzeug verwendet werden könnte.
Deshalb debattiert der deutsche Bundestag heftig darüber, ob chinesische Anbieter vom 5G-Ausbau ausgeschlossen werden sollen. Die USA, Neuseeland und Australien haben Huawei und ZTE de facto gebannt. Großbritannien überlegt noch. Französische Telekomanbieter müssen sich beim Premierminister das Plazet für etwaige Verträge mit den Chinesen einholen.
In Österreich überlässt man es den Telekomanbietern, also Telekom Austria, Magenta und Hutchinson Drei, mit wem sie zusammenarbeiten wollen. Nur die Marschrichtung ist klar: Hurtig! Bis 2025 wollte weiland Türkis-Blau das 5G-Netz flächendeckend errichtet sehen. Man wollte schließlich Vorreiter sein.
Die dazugehörenden politischen Fragen hat man sich einfach nicht gestellt. Das ging bis 2019.
Und 2020? Wir werden sehen.
Ich wünsche Ihnen einen fabelhaften Start in eben dieses neue Jahr,
Ihre Eva Konzett
Die neue EU-Kommission unter der Führung von Ursula von der Leyen hat nicht nur einen Green-Deal versprochen, sondern auch europäische Antworten auf die Digitalisierung und darauf, wie die Privatheit des Einzelnen geschützt werden kann. Wie Brüssel um die Seele des Internets kämpft, habe ich vor ein paar Wochen aufgeschrieben. Warum aber Gesetze nicht ausreichen, wenn niemand da ist, um sie umzusetzen, lesen Sie hier bei den Kollegen von Politico.
Kurznachrichtendienste wie Twitter sind für Politikjunkies und Buchmachercharaktere in Zeiten von Regierungsbildungen Kleinode. Fürs das letzte (un)nötige Detail folge man @MartinThuer und @moser_at, wunderbaren politikwissenschaftlichen Hintergrund liefert @laurenzennser, die rhetorische Analyse am Punkt @Natascha_Strobl.
Für mich ist die Tritsch-Tratsch-Polka der Höhepunkt des Neujahrskonzerts. Das war schon als Kind so. Wenn Sie nicht genug vom Neujahrskonzert bekommen haben, empfehle ich aber eine Polka von Johann Strauss Sohn: Im Krapfenwald'l. Es dirigiert 1989 Carlos Kleiber. Menschen, die von Musik deutlich mehr verstehen als ich, behaupten, es sei dies eines der besten Neujahrskonzerte überhaupt gewesen.