Teiltauglich - FALTER.maily #117

Lukas Matzinger
Versendet am 20.01.2020

wir erleiden Festwochen der politischen Kommunikation: Fast jeden Tag stellt sich ein neuer Minister im Zeit-im-Bild-Studio dar. Am Donnerstag war die bisherige Direktorin des niederösterreichischen Bauernbunds Klaudia Tanner an der Reihe. Sie ist jetzt Verteidigungsministerin.

Beim Bundesheer hüllt sich das Regierungsprogramm in Camouflage. Ob und wie viel mehr Geld die Armee bekommt, ist durch geschickte Formulierungsmanöver getarnt. Die Ministerin kann im Interview nicht präzisieren, dafür schwärmt sie von einer dringlichen Idee.

Weil zuletzt mehr als 30 Prozent der Burschen die Stellungsstraße als untauglich verließen, hat Türkis-Grün die "Teiltauglichkeit" ausgerufen. Damit können bisher Ungeeignete "in anderen Bereichen ihre besonderen Fähigkeiten einsetzen".

"Denn worum geht’s?", fragt die Ministerin und antwortet sich: "Die Zeit des Grundwehrdiensts soll als etwas Sinnstiftendes erfahren werden, wo man zum Beispiel Fremdsprachen-, IT- oder handwerkliche Kenntnisse erwerben kann." Das Bundesheer als neue Filiale der Wifi-Weiterbildung?

Wenn es dem österreichischen Heer an etwas nicht gemangelt hat, dann an jungen Männern, die ein halbes Jahr ihres Lebens in Kasernen verdingen, ohne zur Erfüllung der militärischen Aufgaben des Bundesheeres beizutragen. Aktuell etwa 18.000 Grundwehrdiener pro Jahr kosten Geld, binden Personal und sind, sobald sie zu etwas zu gebrauchen wären, wieder weg.

Klaudia Tanner trägt Eulen nach Athen. Ein Wehrdienst, der dem Bundesheer tatsächlich hilft, würde wieder zu Übungen verpflichten und länger als sechs Monate dauern. Dafür reichen einige tausend Burschen pro Jahr, sie bilden dann aber eine echte Miliz, also das österreichische Bundesheer. Alles andere ist Zeitverschwendung.

Teiltaugliche erfüllen einen anderen Zweck: Sie sind billiger Nachschub für Zivildienstorganisationen. Wenn sie Wehrdienst sagt, meint die ÖVP vor allem die Folge seiner Verweigerung: den Zivildienst.

Das Heer braucht Milliarden und bekommt marode Burschen. Die Regierung geht mit gutem Beispiel voran: bei ihren Ministern ist die Teiltauglichkeit schon umgesetzt.

Ihr Lukas Matzinger


Worüber Wir Reden Sollten

Am Sonntag wählt das Burgenland. Den Umfragen gemäß dürfte die rote "Liste Doskozil" des Landeshauptmanns die 41,9 Prozent von der Wahl 2015 halten. Viele sehen in Hans Peter Doskozil den nächsten SPÖ-Bundesvorsitzenden. Für welche Politik steht er? Wie rechts ist Doskozil wirklich? Vor zwei Monaten hat er beim Landesparteitag in Raiding eine bemerkenswerte Rede gehalten.


Hero Des Tages

Im Fernsehen läuft Dauerskifahren. Am Sonntag gewann die Französin Clara Direz den allerersten Parallel-Riesentorlauf der Damen, am Samstag werden sich dutzende Lebensmüde die Kitzbühler Streif hinunterstürzen. Wir erinnern uns dieser Tage an den Marokkaner Brahin Izdag, der 1992 bei den Olympischen Winterspielen von Albertville am alpinen Super-G teilnahm, obwohl er nicht skifahren konnte.


Zum Hören

Seit 15 Jahren schimpfen Popkritik und kultivierte Hörer auf Coldplay. Die englische Riesenband sei nach zwei Alben kommerziell geworden, was immer das heißt. In November haben Coldplay ihre neuen Lieder dem Sonnenauf- und untergang im jordanischen Amman entgegengespielt und vor einer Woche diesen Ausschnitt veröffentlicht. Für mich sind sie die besseren U2.


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