Lingens - FALTER.maily #125

Florian Klenk
Versendet am 29.01.2020

Er sitzt jetzt ganz vorne im Blitzlichtgewitter, an der Seite seine Frau. Er ist still und stolz. Er sagt, dass es ihm nach der schweren Herzoperation erstaunlich gut gehe, die Sache war sehr ernst.

Gestern Abend aber wurde Peter Michael Lingens, 80, vom Branchenblatt “Der österreichische Journalist” bei einer großen Feier für sein Lebenswerk geehrt: und das ist auch für die Falter-Redaktion der Moment, einmal laut “Danke!” zu sagen.

Denn Lingens ist ja seit zwei Jahren Autor unserer Zeitung. Er ist spät zu uns gestoßen, aber wir wollen ihn nicht mehr missen. Lingens´Laudatorin, die Profil-Kolumnistin Elfriede Hammerl, pries den außergewöhnlichen Meinungsmacher und Journalisten in einer berührenden und klugen Rede. Er war in Jugendjahren Kurier-Gerichtsreporter und fiel schon dort durch scharfen Blick und die Abscheu vor Klischees auf.

Vor 50 Jahren wurde Lingens von Oscar Bronner zum Chefredakteur des neu gegründeten Profil bestellt. Er war Seele und Motor des Nachrichtenmagazins, dessen Journalismus die Republik veränderte. AKH-Skandal, Bauring und Androsch-Affäre wurden im Profil enthüllt. Lingens stellte auch Alfred Worm ein, der zuerst Whistleblower für das Magazin war und dann zum Aufdecker der Nation avancierte. Für einige Zeit war Lingens auch in der Standard-Chefredaktion tätig. Er musste das Blatt jedoch aufgrund einer Korruptions-Affäre, die für ihn mit Freispruch endete, verlassen. 

Nach einigen Jahren als Gastkommentator beim Profil wechselte Lingens vor zwei Jahren zum Falter. Er besucht unsere Sitzungen im Cafe Korb, er verbreitert unser Meinungsspektrum mit seiner Kolumne „Aussenblick“.  Im Falter-Verlag erschien auch sein lesenswertes Buch über die Zerstörung der EU. Lingens wiederholte sein Mantra auch in seiner gestrigen Festrede mehrmals: ein Staat, der in Krisenzeiten spart, ruiniere seine Wirtschaft. Das Desinteresse von Medien und Öffentlichkeit an volkswirtschaftlichen Zusammenhängen mache es den Politikern zu leicht, den Staat als schwäbische Hausfrau zu inszenieren. 

Diese Woche kommentiert Lingens nicht nur den überraschenden Wahlsieg von Burgenlands Landesfürst Peter Doskozil. Er gab unserer Mitarbeiterin Anna Goldenberg (auch sie wurde gestern Abend für ihre Reportagen und ihr Buch “Versteckte Jahre” geehrt)  ein außerordentlich berührendes Interview über das Leben und Überleben seiner Mutter, der Ärztin Ella Lingens. Als Widerstandskämpferin wurde sie im NS-Vernichtungslager Auschwitz gequält. Bitte hören Sie sich diese Folge des Falter-Podcast unbedingt an.

Ich wünsche Peter Michael Lingens, der auch mich in Jugendjahren prägte, noch viele schöne Jahre beim Falter. Wir sind heute auch ein bisschen stolz. Herzliche Gratulation!

Eine spannende Falter-Woche

wünscht Ihr

Ihr Florian Klenk


Empfehlung

Eine bedrückende Geschichte hat diese Woche Eva Konzett recherchiert: 20 Jahre lang missbrauchte der Leiter eines Jugendzentrums in Altach Buben. Sie stellt die Frage: Warum hat niemand hingeschaut? Ihre Rekonstruktion können Sie hier nachlesen. Um dieses Thema geht es auch im aktuellen Podcast. Dort geht es auch darum, an wen sich Betroffene wenden können und was die Zivilgesellschaft tun muss. Mit Eva Konzett diskutieren Daniel Gunz (Betroffener), Hubert Steger (Männerberatung Wien), Hedwig Wölfl (Kinderschutzorganisation Möwe).


Noch Eine Empfehlung

In all den Jahren hat der Falter Klaus Maria Brandauer noch nie um ein Interview gebeten. Das haben Matthias Dusini und Michael Omasta geändert und ihn im Metro-Kinokulturhaus befragt. Dort läuft noch bis 5. Februar eine Hommage an Brandauer. Im Gespräch ging es um die Queen, Mülltrennung und das Glück - nachlesen können Sie es hier.


Mit Wem Wir Rechnen Müssen

Kein SPÖ-Politiker in jüngster Zeit war so erfolgreich wie Hans Peter Doskozil. Der frühere Gendarm und Verteidigungsminister hat den burgenländischen Landeshauptmann-Posten von seinem Vorgänger Hans Niessl geerbt, er ließ früher wählen und hat mit einer Mischung aus straffer Sicherheits- und offensiver Sozialpolitik die absolute Mehrheit im kleinsten Bundesland gewonnen. Meine Kolleginnen Nina Horaczek und Barbara Tóth haben in einer großen Geschichte zu ergründen versucht, warum "Dosko" so erfolgreich ist und ob seine Mischung auch im Bund für die SPÖ funktionieren könnte. Seinen Wahlerfolg analyisert auch unser Kolumnist Peter Michael Lingens.


Was Wir Sonst Noch Machen

Bei unseren Kollegen aus dem Falter Verlag ist im Herbst das tolle Buch "Geheime Pfade - Durchhäuser, Hinterhöfe und versteckte Gassln in Wien" erschienen. Es war so erfolgreich, dass wir noch eine Auflage produzieren mussten! Diese ist nun erschienen, Sie können das Buch mit den schönen Bildern wieder im Buchhandel erwerben oder bei uns im Faltershop bestellen.


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