Andi Babler, die EU und meine Barbiepuppe - FALTER.maily #1101
Die Sache zwischen mir und der Europäischen Union begann mit großer Zustimmung. Irgendwann Anfang der 1990er-Jahre hatte mein Vater mich ...
gestern fuhr ich mit dem Regierungsbus vom Ballhausplatz in die ebenso schöne wie neblige Wachau. Zwei Tage lang kasernieren sich die türkis-grünen Minister und Staatssekretäre in einem Hotel in Krems ein, um einander besser kennenzulernen und begleitet von etwa achtzig Journalisten Dinge zu verkünden, die das Land bewegen.
Bewegt wurden hier in Krems aber vor allem Kalorien. Nach Karpfen und Huhn gab es Schneenockerln, Kaiserschmarrn und viel Käse. Als Zeichen einer neuen Freundschaft fanden sich auch grüne Schmorgurken am Buffet.
Die frisch angefutterten Kalorien konnte sich die türkis-grüne Ministerriege bei insgesamt fünf Regierungs-Fototerminen in nur fünf Stunden abarbeiten. Das bildliche Ergebnis dieser fünfteiligen Inszenierung können Sie sicherlich heute in den Tageszeitungen bewundern.
Zusätzlich lud die Regierung uns Journalisten zum „Doorstep“, klingt ja auch viel cooler als das, was man früher fad Pressekonferenz nannte. Auf den Doorstep folgte die „Tour de Table“. Könnte man auch Kameraschwenk über die Ministerköpfe nennen. Hört sich halt nicht so gut an.
So sehr sich die Buffetbalken bogen, so karg waren die von Türkis und Grün in Krems servierten Inhalte. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sagte, es sei ein gutes Zeichen, „dass wir uns als Regierungsmannschaft zurückziehen und Vorhaben besprechen“. Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) merkte vorsichtig positiv an, dass durch die Initiative der USA Bewegung in den Nahost-Friedensprozess komme, weil „sich anschweigen hat noch nie geholfen“. Gesundheitsminister Rudi Anschober (Grüne) beruhigte, dass die Gesundheitsbehörden das Thema Coronavirus „absolut in Griff“ haben. Der Kanzler sprach kurz und sagte wenig, Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sprach viel länger und sagte auch nicht mehr.
Dann ging die Tür zu und wir Journalisten mussten uns mit gesalzenen Marillenkernen und von feinster Schoko überzogenen Marillen trösten. Bis die beiden Minister Gernot Blümel (ÖVP) und Leonore Gewessler (Grüne) die Journalisten zum „Medienempfang“ luden, um zu verraten, wie gut sich die Regierung verträgt. Weil Grün mitregiert, war immerhin das Mineralwasser „fair and sustainable“.
Hoffen wir, dass die Regierung heute, am zweiten Tag ihrer Kennenlern-Klausur, zum Buffet auch Inhalte serviert.
Ihre Nina Horaczek
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