Wie sich die Justiz vor der Presse schützt - FALTER.maily #1046
14 Jahre ist es nun schon her, dass mir ein Informant einen großen Billa-Sack mit Dokumenten aus der Weisungsabteilung des Justizministeriums ...
diese Woche sollte man nicht zu knapp CNN sehen. Amerika wird uns bis zum Tag der Präsidentschaftswahlen am 3. November in Atem halten. Donald Trump hat mit seiner State of the Union-Rede den Kampf um die ganze Macht eingeläutet. Parlamentspräsidentin Nancy Pelosi reagierte mit einer spektakulären Geste und zerriss, direkt hinter Trump stehend, vor laufenden Kameras das Redemanuskript des Präsidenten. So etwas hat es noch nie gegeben. Als Speaker ist Pelosi die dritthöchste Repräsentantin des Staates. Der Freispruch Trumps durch die Republikaner im Amtsenthebungsverfahren vertieft die Spaltung Amerikas. Nachzuvollziehen im Podcast der New York Times, The Daily.
Beim US-Wahlkampf geht es um viel, nicht nur für Amerika. Donald Trump wird außer Rand und Band sein, sollte er trotz des Impeachment-Verfahrens noch einmal gewinnen. Der Triumph des Demagogen würde autoritären Nationalisten weltweit einen Schub geben. Amerika ist immer noch Trendsetter.
Das Debakel bei der Auszählung der Stimmen bei den Vorwahlen in Iowa steht für die Verwirrungen im Anti-Trump-Lager. Hoffentlich wird sich der Unsinn jetzt aufhören, dass ein ethnisch homogener weißer Agrarstaat wie Iowa das Wahljahr für eine hochentwickelte multikulturelle Gesellschaft eröffnet. Pete Buttigieg, der in Iowa erfolgreich war, ist ein spannender Politiker. In der afroamerikanischen Bevölkerung tendieren seine Zustimmungswerte jedoch gegen Null, wegen Rassismus in der von ihm als Bürgermeister geleiteten Stadt in Indiana. Und weil er mit einem Mann verheiratet ist. Eine große Hypothek.
Das gute Abschneiden von Bernie Sanders elektrisiert alle, die auf die Pendelbewegung in der amerikanischen Politik vertrauen. Bernie Sanders, der einzige bekannte Sozialist der USA, hat jetzt echte Chancen auf die Nominierung durch die Demokraten. Unglaublich für den 78-jährigen, der immer ein Außenseiter war. Andererseits: in der amerikanischen Geschichte haben dezidiert progressive Kandidaten immer krachend verloren. Das war beim Antikriegskandidaten George McGovern 1972 so und noch früher, als der brillante Adlai Stevenson gegen Dwight Eisenhower unterging. Aber ist 2020 angesichts der Polarisierung durch Trump mit früheren Zeiten vergleichbar? Was passiert, wenn der Milliardär Michael Bloomberg auf eigene Faust im Herbst gegen Sanders und Trump ins Rennen geht? Es wird der größte Politikrimi des Jahres, das ist sicher.
Mit besten Grüßen für den Tag,
Ihr Raimund Löw
Als Regierungspartei hatte die FPÖ einen neuen Umgang mit der eigenen Vergangenheit als Auffangbecken für Ex-Nazis versprochen. Der Bericht ihrer Historikerkommission, den die Freiheitlichen Ende letzten Jahres veröffentlicht hatten, wird jetzt von führenden Historikern zerpflückt. Thema verfehlt, kommentiert die Salzburger Historikerin Margit Reiter das Kompendium, weil der Zusammenhang mit den jüngsten rechtsradikalen Berührungspunkten nicht untersucht wird. Im aktuellen Podcast Falter Radio ziehen Zeitgeschichtler Oliver Rathkolb und die Philosophin Lisz Hirn den Bogen zu autoritären Geschichtsbildern rechtspopulistischer Parteien in Europa. ÖVP-Mann Andreas Khol und Falter-Chefreporterin Nina Horaczek sind ebenfalls zu Gast.
Nach einem Monat türkis-grüner Koalition wird offenkundig, dass Sebastian Kurz und sein Team die Grünen immer wieder ins Leere oder gegen die Wand laufen lassen. Was dahinter steckt und wie lange das gut gehen kann, erklärt Falter-Politik-Redakteurin Barbara Tóth in einer Ein-Minuten-Analyse in diesem Falter-TV-Video.
Die Frage, ob die ÖVP über die Grünen drüberfährt, habe ich im aktuellen Falter Podcast auch dem ehemaligen ÖVP-Nationalsratspräsidenten Andreas Khol gestellt. Khol verneint und lobt den grünen Gesundheitsminister Rudolf Anschober, der sich bei den Streitpunkten EU-Budget und Seenotrettung sachlich, aber klar vom Bundeskanzlers abgesetzt hat.
Sebastian Kurz und die ÖVP-Minister vertreten konsistent eine Erzählung, mit der Türkis-Blau ideologisch weitergeführt wird: Grenzen hoch, Anti-Islam und Sparen, besonders bei der EU. Vielleicht brauchen die Grünen eine eigene Message Control? Menschenrechte, Vielfalt in Österreich und ein solidarisches Europa könnten zusätzlich zum Klimaschutz die Kernbotschaften sein, um den politischen Spielraum für die kleine Koalitionspartei zu erweitern.
Das Coronavirus bringt weltweit die übelsten Seiten der Menschen und der Staaten zum Vorschein. In Europa grassiert der Virus des antichinesischen Rassismus gegen die angebliche gelbe Gefahr. Ähnlich in anderen Teilen der Welt. Chinesische Franzosen antworten mit dem Slogan „Je ne suis pas un virus“, „Ich bin kein Virus“. In China müssen Bürger aus der vom Virus am stärksten betroffenen Provinz Hubei, leicht erkennbar an ihrem Dialekt, mit Mobbing rechnen. Bespitzelung und Überwachung werden intensiviert. Im Montagstalk auf ORF III gab Gesundheitsminister Anschober einen gesundheitspolitischen Überblick, als langjähriger China-Korrespondent und Buchautor ("Weltmacht China") durfte ich die Lage politisch einschätzen. Nachsehen kann man die Sendung hier. Im aktuellen Falter zieht Franz Kössler Parallelen zum Umgang mit Tschernobyl in der Sowjetunion. Unter diesem Link können Sie den Falter in Print und digital vier Wochen lang gratis testen.
Hefte Reaktionen löst nach wie vor der Leitartikel von Florian Klenk im aktuellen Falter aus. Klenk berichtet, dass Sebastian Kurz bei einem Off-the-records-Gespräch in der Politischen Akademie der ÖVP am 20. Jänner der Korruptionsstaatsanwaltschaft WKStA vorgeworfen hat, als rotes Netzwerk zu agieren. Die Vereinigung der Staatsanwälte kritisiert, solche Attacken seien ein „Angriff auf den Rechtsstaat.“ Justizministerin Alma Zadic (Grüne) kann die Aussagen nicht verifizieren und bewerten, sie verteidigt aber die Tätigkeit der Korruptionsstaatsanwälte. Neos-Justizsprecherin Stephanie Krisper spricht von einem „brandgefährlichen Verhalten“. SPÖ-Abgeordneter Jan Krainer verlangt eine öffentliche Entschuldigung des Bundeskanzlers. Ein Kurz-Sprecher sagt der Austria Presseagentur, es sei ein „gutes Recht eines Journalisten seine freie Meinung zu äußern.“ Dies werde „von uns nicht weiter kommentiert“. Das Bundeskanzleramt bestreitet nicht, dass die Informationen im Falter richtig sind.
Heute Abend ist in der ORF-2-Sendung "STÖCKL" Oliver Scheiber zu Gast. Der Richter hat vor kurzem im Falter Verlag sein vielbeachtetes Buch "Mut zum Recht. Plädoyer für einen modernen Rechtsstaat" veröffentlicht. Schauen Sie sich das an!